Für alle wartenden, der versprochene 48 Test, ohne Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit.
Harley-Davidson Forthy-Eight, der ultimativ subjektive Test
Als total abgeklärter und nur begrenzt emotionaler Mensch, war ich auf die Forty-Eight nicht vorbereitet. Ich brauchte kein neues Motorrad und suchte auch keines! Als eines Abends der Schrauber meines Vertrauens etwas erwähnte von „..neue Harley, Bobber Style…muss man gar nix mehr machen…aber 10.000 Steine!!!“, wurde ich deshalb nur wenig hellhörig. Aus Neugier habe ich am Karfreitag dann doch mal auf der H-D Website geschaut… Und es hat mich aus den Schlappen gehauen! Boah, ist die scharf! Ähnlich wie eines der Produkte dieser kalifornischen Firma mit dem Obstlogo, weckte die 48 ein unwillkürliches Begehren, ohne das ein Bedarf vorhanden ist. Ich handelte schnell. Zuerst die bessere Hälfte davon überzeugen, dass ihre BMW doch viel zu groß für sie ist. Dann zum Harley Händler. Mist, Laden abgeschlossen, wegen „Harley Days am Nürburgring“. „Nürburgring, Schatz! Ein Katzensprung, in 2 Stunden sind wir da. Du kriegst auch ‚ne Bratwurst.“ Aber da Stand sie dann, schwarz und niedrig. Schatzi draufgesetzt, die Vorzüge der Sitzhaltung, des niedrigen Sitzes und Ihr Aussehen im Allgemeinen gelobt , und der Drops war gelutscht! Nach 2 Wochen vergeblicher Suche nach einer Probefahrtgelegenheit haben wir dann eben Blind bestellt. Lieferzeit 7 Wochen. … Und nun steht sie da!
Erster Eindruck: Nix dran! Motorrad pur. Sitz, Lenker, zwei Ballonreifen auf Speichenrädern mit wunderschönen gedrehten Alunaben und ein fetter Motor in schwarzem Kräusellack, der sich anfühlt wie 180er Schmirgelpapier und sich gegenüber einer flatternden Hose auch genauso verhält. Und die Hose flattert! Den ewig langen ersten Gang einlegen und mittels beträchtlicher Schwungmasse fast ohne Gas die leichtgängige Seilzugkupplung kommen lassen, reiht sich das Flacheisen (Wörtlich zu nehmen: Alles was aus Blech sein kann, ist es auch!) in den Verkehr ein. Nächste Erkenntnis: 1200ccm bedeuten nicht immer lässigen Durchzug aus dem Drehzahlkeller. Bei niedrigen Drehzahlen, die mangels Drehzahlmesser aber ihr Geheimnis bleiben, bockt der V-Twin der 48, als würde sie nur auf einem Zylinder laufen. Sportster also. Etwas mehr Drehzahl beruhigt den Motorlauf, aber nur relativ. Für Sportsterfremde klingt der Motor, außer im Leerlauf, eigentlich immer als kündige sich ein kapitaler Motorschaden an.
Metallisches Hämmern, Tickern und Dengeln tönen ungedämpft zum Fahrer und übertönen vollkommen das Auspuffgeräusch. Während die Maschine in der Vorbeifahrt noch wie eine Harley klingt, bekommt der Fahrer gar nichts ab. Wohl mit ein Grund, warum sich jeder einen lauteren Auspuff wünscht – Auspufflärm klingt einfach besser als das Motorengerappel. Dafür vibriert sie schön! Speziell an der Ample, kann man sich die Rotphase mit einer kleinen Gesäßmassage verkürzen lassen. Das entschädigt dann auch ein wenig für den bald darauf folgenden Hitzschlag, der durch die vom winzigen 7,95 Liter Tank vollkommen unbehinderte aufsteigende Heißluft hervorgerufen wird. Mann ist das heiß! Da hilft nur fahren, endlich raus aus der Stadt und ein paar Kurven nehmen. Am Ortsschild ziehe ich das Gas auf, schalte bei 80 km/h in den 5. Gang und wieder schüttelt und schlägt der Eimer! Wozu hat das Ding so viel Hubraum, wenn es nix damit anfangen kann? Nun gut, nennen wir es Charakter! Charaktervoll geht es in die erste Kurve. Anbremsen (Matschig, weich, aber verzögert. Bio-ABS! Blockierbremsung wohl eher unwahrscheinich.) und umlegen. KRAAAAAATSCH! Die Angstnippel kratzen über den Asphalt, aber sooo schlecht ist die Schräglage gar nicht. Bis dann wirklich etwas unnachgiebiges aufsetzt, geht es noch deutlich weiter, sodass man eine gute Sicherheitsmarge hat. Und in Rechtskurven wird dann sogar das Auspuffgeräusch mal an des Fahrers Ohr reflektiert! Der dicke Vorderreifen führt zu etwas unwilligem Einlenken, aber die Kurvenlage ist stabil und wird auch durch Spurrillen nicht gestört. Beim Bremsen in Schräglage ist aber ein etwas festerer Griff an der nicht sehr breiten aber angenehm gekröpften Lenkstange nötig, um die Fuhre auf Kurs zu halten. Alles in Allem, besser als erwartet und nach ein paar Kilometern schon vergessen.
Diesen Platz in der Wahrnehmung nimmt dann aber sogleich des Fahrers Hinterteil ein. Der Seriensitz ist relativ bequem auf den ersten Metern, aber doch zu schmal für längeren Aufenthalt. Zusätzlich bietet er keine Abstützung nach hinten, was in Kombination mit den vorverlegten Fußrasten dazu führt, das der Fahrer ab 90 km/h seinen Halt nur am Lenker findet. Da ist die Investition in den über 600 Euro teuren Schwingsattel gut angelegt. Der schwingt zwar gar nicht, sondern fühlt sich betonhart an, ist aber deutlich besser geformt. Wer die 48 wegen der niedrigen Sitzhöhe gekauft hat, sollte aber vorher Probesitzen, denn der Schwingsattel ist 25mm höher als der Serienstuhl. Apropos schwingen: Die oft genannte Härte des Fahrwerks kann ich nicht nachvollziehen. Die Federung ist nicht hart, sondern kurz und weich. Hart wird es also immer dann wenn sie durchschlägt, was an der Gabel praktisch an jedem Kanaldeckel passiert. Die Sorge, dass die Bandscheiben leiden, ist aber unbegründet. Schläge in den Rücken werden von den hinteren Federbeinen und die Sitzpolsterung gut gedämpft. Etwas Vorsicht sollte man in flotten welligen Kurven walten lassen, Da hüpft der Baby-Bobber lustig Richtung Kurvenrand. Wem die Klappmesserposition mit rundem Rücken auf Dauer zu anstrengend wird, der freut sich über die regelmäßigen Tankpausen. Nach 90km ging mit der ersten Tankfüllung die Reserveleuchte an. Mal sehen ob sich das noch bessert. Ein lustiger Nebeneffekt des kleinen 7,95 Liter Tanks: Die 5 Liter, die der Händler bei Übergabe eingefüllt hat, entspricht hier fast einem vollen Tank. Somit haben wir also ungefragt doch noch „eine Tankfüllung“ Rabatt bekommen. Beim Tanken kann man sich dann die Beine vertreten und die Fragen und Lobgesänge der Passanten entgegen nehmen. Dieses Motorrad ist wie ein Fliegenfänger, lustiger weise speziell bei Leuten die gar nicht Motorrad fahren. Es weckt wohl sentimentale Gefühle, durch den archaischen Look. Am bemerkenswertesten war die sicher 90 Jahre alte Dame die sagte: „Mit so einer Maschine bin ich bei meinem Wilhelm hintendrauf in die Sommerfrische gefahren. Aber leider ist er schon in den ersten Kriegswochen gefallen!“ Und das ist es eben in der Summe: Die Forty-Eight ist mehr als unperfekt in Ihrem Komfort, dem fummeligen Zündschloss und Lenkschloss, dem Tachoanzeigen-Umschalter auf dessen Rückseite und null Stauraum. Aber wenn man absteigt will man sie einfach nur ansehen… Die vielen schönen Details erwartete man gar nicht mehr bei den Traktorenherstellern aus Milwaukee, obwohl, die 48 wird ja in Kansas City, Missouri gebaut. Nehmen wir nur den Tank. Auf den ersten Blick nur knallorange. Aber in der Sonne sieht man das es ein Metalliclack ist, mit feinem Goldglitter. Fast wie bei der aktuellen CVO Streetglide. Und dann der schöne Lampenhalter, ein gefrästes Stück Metall, nicht ein Stahlklotz wie bei den alten Softails. Oder die vielfach beschriebenen Radnaben! Nicht nur vorne, wo man sie sieht, sondern auch im Hinterrad versteckt wartet echte Schönheit. Wie werden ich sie nur vor dem verschmutzen schützen? Vielleicht die guten alten Fahrrad Nabenbürsten? Gibt es die in der Größe? Interessant ist übrigens die Menge an Wuchtgewichten an der Felge. Können die nicht den Reifen verdrehen bis es besser passt? Aber wenigstens sind die Gewichte schwarz. So stilsicher sind leider nicht alle Teile verbaut. Der Kabelverhau vor dem Motor ist einfach nur grauenvoll. Da sieht aus als hätten die Produzenten aus Kostengründen einen E-Glide Kabelbaum verwendet und mussten die ganzen Kabel irgendwo unterbringen. Schlimm! Ein Eldorado für den furchtlosen Hobbyelektriker: Weg mit den Kabeln! Wir lassen sie einfach mal hängen und sehen ihnen beim verrotten zu, wenn das Wasser in die ganzen offenen Kabelhüllen läuft.
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Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von fwgde am 23.06.2010 19:18.