zum zitierten Beitrag
Zitat von Zanshin
hi, hab ne 97 heritage springer, davor 2002 road king und 2014 sportster. wenn du kuppelst und die Gänge reintrittst dann klingt es als ob du nen schraubenschlüssel in ne werkzeugbox schmeißt. Dies ist besonders im 1. Gang zu hören, inklusive haptisches "feedback". noch nie anders erlebt bei ner harley. würde mich eher wundern wenn es nicht da wäre.
Altbekanntes Harley-Problem seit Einführung der Nasskupplung 1965. Die Kupplungsscheiben kleben besonders heftig, da sie wegen des hohen Motordrehmoments von der Feder besonders kräftig zusammengedrückt werden müssen. Deswegen sind in Vierrädern mit teils noch mehr Drehmoment (Turbo!) die Kombination von Nasskupplung und Schaltgetrieben nicht üblich. Die drehmomentstarken Doppelkupplungsgetriebe hört man trotz dämmender Karosse nach dem Kaltstart auch sehr deutlich beim (elektrischen) Schalten knallen, insbesondere in Parkhäusern und Tunneln.
Das merkt man am Kupplungshebel (starke Feder) und besonders nach längerer Standzeit (Kupplungsscheiben lange zusammengedrückt). Tip: Vor dem Anlassen Gang rein, mit gezogener Kupplung rückwärts schieben (weil das mit den Beinen besser geht), dann mit weiterhin gezogener Kupplung anlassen (das Bike wird leicht nach vorne schieben, wie eine Automatik) und dann sanft einkuppelnd losfahren. Das schont den ersten Gang außerordentlich. Bei den höheren Gängen dank geringerer Drehzahldifferenz der Schaltklauen und dann ohnehin bei Erwärmung (wegen dünnflüssigerem Öl) wird es immer schwächer.
Allerdings: 500 km im Hochsommer Autobahn burnen macht die Sache wieder schlimmer, weil das Öl dann für die Dämpfung der Schaltungen ZU dünnflüssig ist. Wenn Du dann abfährst und über Landstraßen oder gar durch die Großstadt in Deine Unterkunft fährst, knallt es beim Schalten wieder barbarisch, weil das dünnflüssige Öl den Schaltruck infolge der mit Drehzahldifferenz schlagartig miteinander verbundenen (bei Harley wegen des hohen Motordrehmoments besonders großen) rotierenden Massen nicht mehr dämpfen kann, ganz wie zu heisse Stoßdämpfer bei Passabfahrt das Motorrad wippen lässt.
Da das wohl sehr viele Harleyfahrer genervt hat, hat die Nachfrage ausgereicht, Getriebeöle mit besonders breitbandiger Viskositätsspanne zu entwickeln: Anstelle des altmodischen 80W90 für Kleinkrafträder mit geringen Drehmassen solltest Du alternativ probieren:
- Castrol 75W140: hat dank Metallseifen - die aber Lichtmaschinenkupferwicklungen korrodieren - besonders temperaturresistente Schmiereigenschaften. Deswegen solltest Du es aber nur ins Getriebe und nicht in den Primärkasten mit der Lichtmaschine füllen
- Harley Davidson 80 W140: Dass Harley seit wenigen Jahren nun selbst solch ein allerdings sehr teures Öl anbietet, nachdem sie jahrelang auf ihr antiquiertes 80W90 gepocht haben, um die (Anschluss-)Garantie nicht zu verlieren, sollte zu denken geben
- Bel Ray 85W140 Bietet im kalten Zustand noch mehr Dämpfung zwischen den einspurenden Schaltklauen, insbesondere nach dem Losfahren in den höheren Gängen, aber klebt eben auch mehr zwischen den Reibscheiben, was das Knallen im ersten Gang begünstigt. Daher eher empfehlenswert für südeuropäische Klimaverhältnisse, die es ja auch in USA geben soll Oder eben mit der oben empfohlenen Methode anfahren
Übrigens, das ist keine Schlechtleistung von Harley, sondern simple Physik dieser Art von Motorrädern. Auch z.B. die Yamaha Wildstar bzw. MT01 ist für heftiges Schaltkrachen berüchtigt, denn auch die hat einen großen Zweizylindermotor mit viel Drehmoment in niedrigen Drehzahlen, was auch hier die unglückselige Kombination von hohen rotierende Massen im Getriebe und starken Kupplungsfedern unvermeidlich macht. Auch hier klebt die Nasskupplung, weil der Stand der Technik offensichtlich keine besseren Reibkombinationen oder Öl mit weniger Klebeigenschaften hergibt. Beim Öl ist die Klebeigenschaft sogar ein Zielkonflikt, denn man will ja gerade, dass das Öl an den Schmierstellen gut klebt und nicht zu schnell abgeschleudert wird. Hier kann aber kein 80-W140 rein, weil das Motoröl aus Kostengründen auch das Getriebe schmiert, und solch breitbandiges Motoröl gibt es nicht am Markt. Also muss man hier mit dem Krachen leben.
Das das bei den Harley - Kopien aus Japan nie so groß zum Thema gemacht wurde, liegt wohl daran, dass die weder in USA noch in EU eine große Verbreitung auf dem Markt erreicht haben und deswegen schon nach der ersten Generation mit der Verbindlichkeit von EU4 ab 2016 allesamt als Flop vom Markt genommen wurden.
Das heißt aber auch, dass die Lösung des Problems nur von den Zulieferern mit Durchbrüchen bei ihren Produkteigenschaften (Öladditive, Reibscheiben) entwickelt werden kann. Harley wird ganz sicher aus Kostengründen kein Getriebe aus Titan zu Reduktion der rotierenden Massen bauen. Das wäre unbezahlbar, weswegen es niemand macht.
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Verheiz Deine Reifen, nicht Deine Seele!
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