Hallo zusammen!
Ich bin ja grundsätzlich hier im Forum eher ein langjähriger Mitleser, bzw. war ich auch das in den letzten Jahren aufgrund anderer privater Projekte nur selten – zum Bike-Schrauben hatte ich weder die Zeit noch die Muse….
Der ein oder andere hier im Forum hat ja vielleicht mein Shovel-Projekt (gebaut 2011) oder mein Sportster-Projekt (gebaut 2017) schon mal gesehen – seitdem habe ich aber eher nur Wartung an meinen Bikes betrieben.
Ein guter Freund von mir hat schon vor langer Zeit mal zu mir gesagt, dass ich ihm irgendwann mal ein Bike bauen soll und da ich vor ca. 2 Jahren dann wieder mehr Zeit hatte, habe ich immer wieder mal auf dem Gebrauchtmarkt Ausschau nach einer passenden Basis gehalten. Zugeschlagen haben wir dann im Sommer 2022 bei einer Harley Heritage Softail Classic aus Bj. 1996 mit nur 16t km auf der Uhr, welche zu einem guten Kurs erhältlich war – das Bike war noch in Erstbesitz und wurde aus Altersgründen verkauft. Der solide Evo-Motor mit wenig Laufleistung war für mich das entscheidende Kriterium.
Das Bike ist dann noch bis zum folgenden Winter bei meinem Kumpel gestanden, bevor wir uns konkrete Gedanken zum Umbau gemacht haben. Anfangs wollte mein Kumpel ja einen Oldstyle-Bobber Umbau haben, aber ich habe dann schnell versucht, ihn von diesem Thema etwas abzubringen – ich habe schon so viele Bobber-Umbauten gesehen und irgendwie sind sich diese Bikes dann doch immer alle sehr ähnlich. Da mein Kumpel in der Drift-Car Szene aktiv ist, war dann meine Idee, zumindest ein wenig Racing-Style in die Thematik einzubringen (ohne es jetzt mit einer Harley-Basis ins Absurde zu treiben). Meine Grundidee hat Gefallen gefunden und so habe ich dann auch ziemlich freie Hand für den Umbau erhalten.
Mein persönlicher Anspruch bei all meinen bisherigen Um-/Aufbauten meiner eigenen Bikes war immer, dass ich kein Bike aus Katalog-Teilen zusammenschustern will und die Anfertigung von „echten“ Custom-Teilen einen hohen Stellenwert haben – dem wollte ich auch bei dem Projekt für meinen Kumpel treu bleiben.
In meiner Grundidee hatte ich Big-Spoke Felgen im Kopf und wollte das Bike dabei vorne auf ein 23“-Rad und hinten auf 18“ mit 180er-Bereifung stellen. Nach meiner langen Schrauber-Abstinenz ist mir hier dann erstmals aufgefallen, dass es inzwischen für Evo-Modelle kaum noch brauchbare Custom-Teile zu kaufen gibt – vor allem mit TÜV (die meisten Hersteller setzen erst bei den TwinCam-Modellen an). Von Fa. MCS gibt es zwar relativ günstige Big-Spoke Felgen mit TÜV, allerdings eben nur für TwinCam-Modelle (Alternativen wie TTS etc. wären uns zu teuer gekommen). Also wurden die Räder von MCS geordert und eine 5°-Gabelbrücke von JOS habe ich auf Kleinanzeigen gefunden. Nach dem ersten Zusammenstecken war aber gleich glar, dass die Reduzierhülsen von 1“ auf ¾“ Achse nur die kleinste Übung für die Felgen-Anpassung war. An den Flanschen konnte man leider nicht mit Adaptern arbeiten, da diese hinten sowohl auch vorne zu breit waren.
Um den 180er-Reifen hinten überhaupt mittig mit originaler Schwinge verbauen zu können, habe ich (wie schon bei meinem Sportster-Projekt) auf 20mm-Belt umgebaut und ein passendes, gebrauchtes Pulley von irgendeinem 2007er-Modell gefunden - damit habe ich dann alles ausgemessen und distanziert. Die entsprechenden Maße habe ich dann einem anderen Kumpel gegeben, der mir dann die Naben abgedreht hat, die Lagersitze tiefer gedreht und anschließend die Gewinde wieder auf Originaltiefe geschnitten hat. Mit diesen umfangreichen Modifikationen konnten die Räder dann perfekt mittig verbaut werden - am Primär habe ich dann noch ein passendes vorderes Pulley verbaut, um mit dem 20mm-Pulley am Hinterrad eine vernünftige Übersetzung zu erhalten bzw. um auch einen passenden Belt in der richtigen Länge zu finden. Die Gabel wurde um 2“ tiefergelegt, um zusammen mit der 5°-Gabelbrücke wieder einen passenden Nachlauf zu erhalten. Hinten wurde ein Müller-Tieferlegungskit verbaut.
Mein Hauptaugenmerk bei diesem Projekt lag aber am Tank, den ich unbedingt selbst bauen wollte – nach meiner jahrelangen Schrauber-Abstinenz und da ich auch beruflich handwerklich nichts damit am Hut habe (das Schrauben ist nur mein Hobby), war das natürlich wieder eine Herausforderung. Ich hatte ziemlich schnell die Idee von einem Split-Tank im Kopf, wobei ich mit einem gebogenen Rohr, das originale Backbone vom Rahmen imitieren wollte. Ich habe dann ein wenig mit verschiedenen Radien experimentiert und musste dann nur noch jemanden finden, der mir dieses Stück Rohr im gewünschten Radius rollen kann – ein Kumpel von einem Kumpel hatte dann die passende Rollenbiegemaschine. 😉 Der so entstanden Hilfsrahmen wurde dann an beiden Enden mit dem originalen Rahmen verschraubt. Den ganzen weiteren Prozess der Tank-Anfertigung könnt ihr eh den Bildern entnehmen.
Mit einem Fender-Rohling habe ich dann den hinteren Fender angefertigt und diesen mitschwingend an der Schwinge verbaut. Neben diversen anderen Modifikationen wurde noch der Öltank verlängert, eine Batterieabdeckung angefertigt, die Rahmenelemente an den abgeschnittenen Original-Struts verschweißt etc…
Der Rahmen wurde dann an den modifizierten Stellen von meinem Lackierer beilackiert und auch alle Blechteile wurden grundiert und basislackiert – als Farbe wurde ein spezielles Blau gewählt, dass ident zu der Farbe am Drift-Car meines Kumpels ist. Anschließend gingen die Lackteile zu meinem Kumpel von Airvolution, der dann mit mir ein Grafik-Konzept ausgearbeitet und umgesetzt hat: Die Grafiken sind an die Beklebung des Drift-Cars angelehnt, nur dass hier alles in Handarbeit gebrusht wurde!
Während die Teile beim Lackierer/Airbrusher waren, habe ich mir noch den Motor etwas vorgenommen. Als erstes habe ich das anfällige Nockenwellenlager dieser Baujahre gegen ein vollnadeliges getauscht und eine Andrews-Nocke verbaut. Weiters wurden Custom-Stößelcover, eine Dynatek-Zündanlage sowie passende Zündspulen verbaut. Dem orignalen Vergaser habe ich dann noch ein Dynojet Thunderslide-Kit verpasst, damit das zusammen mit dem Forcewinder-Luftfilter und der BSL-Anlage eine stimmige Sache ergibt. Das Cam-Cover, die Rockerboxen und diverse andere Kleinteile gingen zum Pulverbeschichter und die Sitzplatte zum Sattler.
Nachdem alle Blechteile wieder zurück waren, habe ich noch einen komplett neuen Kabelbaum angefertigt, ein RFID-Zündschloss und aufwändig zu verkabelnde, beleuchtete Armaturen-Taster verbaut. Die Taster-LEDs werden anstelle regulärer Kontrollleuchten angesteuert.
Die erste Testfahrt hätte mich grundsätzlich sofort glücklich gestimmt, da der Nachlauf des Vorderrads scheinbar gut getroffen wurde und sich das Bike wirklich total easy ohne Kippeln etc. fahren ließ. Der Grund warum die Freude etwas gedämpft war, lag an der Kupplung – ich hatte auf hydraulische Kupplung mit einem Kupplungsdeckel von Performance Machine und Armaturen von Beringer umgebaut. Das Problem war nun aber, dass die Kupplung nicht weit genug ausrückte und so war es bei laufendem Motor nicht möglich, in den Leerlauf zu schalten. Sämtliche Entlüftungsversuche und Messungen mit einer Messuhr brachten aber immer wieder dieselbe Ausrücktiefe als Ergebnis, welche scheinbar zu wenig war. Bei vielen Herstellern von hydr. Kupplungsdeckeln (wie auch bei PM) ist eine 11/16“ Kupplungsarmatur vorgegeben – ich habe extra die größte Armatur von Beringer mit 20mm-Kolben (ist größer als 11/16“) genommen, damit ich auf der sicheren Seite bin. Leider musste ich dann feststellen, dass zwar der Kolben größer als erforderlich, aber durch die radiale Anlenkung der Armaturen der Hub viel kürzer war. Somit war das Customizing also noch nicht zu Ende und die einzige Möglichkeit zur Modifikation gab es am Kupplungsdeckel (an den Armaturen war nichts möglich und diese wollte ich aufgrund Optik und Kosten auch nicht tauschen). Also habe ich das Übersetzungsverhältnis errechnet, mit welchem ich den entsprechenden Hub an der Kupplung erreichen konnte. Dann eine Maßzeichnung für einen Buchse und einen Kolben angefertigt, passenden O-Ringe gesucht und die Nuten im Kolben dimensioniert und das Ganze dann einem Kumpel mit Zugang zu 5-Achs-Maschinen gegeben. Er hat dann ein großes Feingewinde in die originale Bohrung des Deckels gespindelt und eine passende Buchse angefertigt – diese habe ich dann mit einem hochfesten Gewinde-Dichtkleber in die Bohrung eingeschraubt.
Lange Rede, kurzer Sinn: es wird nun entsprechend mehr Hub generiert und der Leerlauf lässt sich nun auch bei laufendem Motor einlegen. Bike fährt super und mein Kumpel ist happy. Ich habe nun wieder für eine Zeit lang genug vom Schrauben… 😉