Ich bin zwar nicht bei Wind und Wetter draußen bzw. auf dem Mopped - daß mußte ich in meiner Jugend zu lange, um das noch als toll zu empfinden. Und ich sehe auch nicht recht, warum die Entscheidung, dann das Mopped in der Garage zu lassen, diqualifizieren sollte. Aber andererseits ist mir in den letzten vier Jahren ein einziger dieser verächteten Schickie-Mickie-Harley-Fahrer über den Weg gelaufen - weder in der Factory noch auf dem Feldberg, obwohl beide Lokalitäten hier im Rhein-Main-Gebiet diesen Typus doch anziehen sollte. Und die einzigen mir bekannten moppedfahrenden Ärzte und Anwälte (anscheinend haben diese Leute auch keine Zeit, um so ihre wenige Freizeit zu vebringen) fahren keine Harleys sondern Rennsemmeln (und auch dementsprechend).
Im Gegensatz dazu fällt mir zunehmend auf, daß jedenfalls dort, wo man abgestellte Moppeds in ausreichender Zahl anschauen kann (auf der Straße dauert die Begegnung ja nur Sekunden), also z.B. Feldberg und Factory - überwiegend neuere Modelle zu sehen sind, die Fahrer nahezu ausnahmslos Markenware der Company tragen und von ihrem Verhalten und körperlichen Attributen her nicht zu dieser Schickie-Mickie-Gruppe gehören sondern eher zu den "harten Bikern".
Was mich zu der Frage bringt: Woher wissen diejenigen, die immer über Zahnwälte lästern, eigentlich, welchen Beruf die betreffenden Leute ausüben? Ich kenne von kaum einem anderen Harley-Fahrer (von denen, mit denen ich befreundet bin, abgesehen) den Beruf, schon gar nicht, wenn ich ihn nur selten oder gar einmal sehe und allenfalls die üblichen Benzingespräche führe, wenn überhaupt, und auch mich hat bislang noch niemals jemand gefragt, woher ich das Geld für mein Mopped und dessen Umbau nehme. Je öfter diese Klischees geritten werden destso mehr festigt sich mein Eindruck. daß es nur Vorurteile sind.
Generell: Sportster und ältere Harleys verlangen finanzielle Opfer, die sich nicht sonderlich von anderen Moppeds unterscheiden. Daher frage ich mich eher, woher diese vielen jungen Rennsemmelfahrer das Geld für ihre schnellen und heißen Öfen nehmen - nicht aber, wenn da eine Sporty oder eine 5 oder 10 Jahre alte oder noch ältere Harley herantuckert.
Und nach aufschlußreichen Gesprächen mit den Besitzern aktueller und teuer ausstaffierter Dynas, Softails und natürlich Tourern, die sich gerne etwas kernig(er) geben und deutlich erkennen lassen, daß sie - wie immer sie auch ihre Brötchen verdienen - jedenfalls weder der Zahnwalt-/Akademiker- noch eigentlicher Schickie-Mickie-Gruppe angehören, frage ich mich schon mal, woher diese das Kleingeld für ihre Moppeds (nebst eigener Ausstattung) nehmen. Und richtige Schrauber, jetzt nicht Gewerbliche sondern solche, die ihr Mopped selber umbauen (jenseits des Anschraubens von dafür vorgesehenem Zubehör und Anbauteilen, dazu gehört ja nicht viel außer Geld) sind dennoch so gut wie keine dabei.
Würde ich mich nur im ländlichen Bereich herumdrücken, würde ich meine Eindrücke nicht als bemerkenswert oder wie auch immer repräsentativ ansehen. Da man aber unterstellen kann, daß im Rhein-Main-Gebiet besonders viele gut betuchte Zahnwälte und Schickie-Mickies mit Harley im Stall ansässig sind bzw. wären, wenn es sie wirklich so zahlreich geben würde, gibt mir das schon zu denken.
Mein Eindruck und meine daraus gewonnene Überzeugung ist, daß wesentlich weniger dieser "unerträglichen" Harley-Besitzer gibt als den mindestens ebenso peinlichen, auch schon mal unangenehmen Typus des sich betont kernig, "männlich" und rockerhaft gebenden (oder gar wirklich so seienden) "Bikers". Wobei man nicht umhin kann, zu konstatieren, daß vor allem bei Harley-Fahrern gerne auf "hart" und "Biker" bzw. "Rocker" gemacht wird. Andere Moppedfahrer begrüßen sich, sofern überhaupt, zumeist mit einem normalen "zivilen" Händedruck. Auffällig viele Harleyfahrer ziehen aber diesen betont markigen das Handgelenk umfassenden "Harte-Kerle-Händedruck" vor - obwohl offensichtlich weder "Rocker" noch Mitglied eines MC oder ebenso "harter" Alleinfahrer. Das war ja früher bei den Jungen üblich um den harten Kerl zu geben, der man idR natürlich nicht war, aber daß offensichtlich jedenfalls vom Alter her längst erwachsene Männer auch heute noch meinen, sich als Harleyfahrer dies schuldig zu sein, ist schon erheiternd und auch bezeichnend.
Zur Ausgangsfrage: Ob sich die HD-Kundschaft gewandelt hat? Gegenfrage: Seit wann?
Schon seit wenigstens 30 oder 40 Jahren kann sich nahezu jeder, der meint, es zu benötigen, ein Auto leisten. Erwachsene Zwangs-Moppedfahrer gibt es jedenfalls seit den 70ern nicht mehr. Wer damals nur ein Mopped fuhr, der tat es aus Überzeugung, und wer neben dem Auto eines hatte, fuhr aus Lust am Moppedfahren. Wobei diese Gruppe verglichen mit heute offenbar kleiner war, denn soweit meine Erinnerung reicht waren das fast ausnahmslos junge Männer, es waren kaum alte Säcke wie heute dabei. Von der zahlenmäßig kleinen Gruppe derjenigen, die seit ihrer Jugend bis ins Alter (auch) Mopped fuhren einmal abgesehen, gab es das Phänomen des alternden Freizeit- und Lustbikers bis in die 90er Jahre nicht. Wenn ich mir die Väter und Onkel meiner Freunde in Erinnerung rufe, ist kein einziger dabei, der damals im fortgeschrittenen Alter ab etwa 50 oder so noch (einmal) aufs Mopped gestiegen wäre oder gar ist - selbst diejenigen, von denen ich weiß, daß sie in jungen Jahren Zwangs-Moppedfahrer waren, und als wir damals Kinder die ersten Schritte mit Mofa und/oder Mokick unternahmen, mit glänzenden Augen ihre eigene Zweiradzeit wiederauferstehen ließen und mit dem Gedanken, dies in die Tat umzusetzen, spielten, sind ihrem bequemen Leben mit PKW treu geblieben. Heute dagegen schwingen sich wenigstens 1/4 bis 1/3 meiner altersadäquaten Freunde und Bekannte (dienjenigen, die ich übers Moppedfahren kennengelernt habe, nicht eingerechnet) in ihrer Freizeit aufs Mopped.
Leider weiß ich nicht aus eigener Erinnerung, welcher Typus mehrheitlich von den Mitt-70ern bis zu den Mitt-90ern Harley gefahren ist - auch weil Harleys damals bei weitem nicht so alltäglich und gewöhnlich waren wie heute (und überdies viel schlechter und wohl auch teurer als die Konkurrenz) dürfte wohl die Folgerung zutreffend sein, daß das so gut wie keine wieder-mopped-fahrenden alte Säcke in der zweiten oder dritten midlifecrisis waren sondern eher zweiradfixierte Überzeugungstäter mehrheitlich aus vermutlich einschlägigen Kreisen. Ausnahmen bestätigen die Regel ;-).
Insofern wird man sicherlich zutreffend feststellen können, daß in den letzten 10 bs 15 Jahren die Gruppe der heute typischen Harley-Fahrer stark zugenommen hat: Im eher fortgeschrittenen Alter mit ausreichend Geld, um sich so etwas Überflüssiges wie eine Harley leisten zu können. Über die maßgebliche Motivation kann man nur spekulieren. Das gerne gepflegte Vorurteil, (natürlich nur) "die anderen" seien auf ein Statussymbol aus, steht m.E. auf tönernen Füßen, denn wenn man bedenkt, daß sich die weit überwiegende Mehrzahl der Harley-Fahrer mit Abzeichen der Company schmückt (ohne daß etwa den Harley-Klamotten das Prädikat "besonders gut" oder "besonders preiswert" verliehen werden könnte) und niemand auf die Idee kommt, die Herkunft seines Moppeds zu verleugnen, also etwa die Herstellerbezeichnung entfernt, kann es ja wohl nicht sein, daß immer nur "die anderen", sprich "die Zahnwälte" oder "die Schickie-Mickies" aus Prestigegründen eine Harley kaufen/fahren würden. Die einzigen, die da über alle Zweifel erhaben sind, sind diejenigen, die schons seit 20 Jahren Harley fahren oder schon damals Harley gefahren sind.