Endlich raus aus dem Hamsterrad und rein in zwei Wochen spotanes Touren ohne Planung. Freunde, Verwandte und kalte Heimat besuchen. Kein Navi, Fahren nach Himmelsrichtung, nur Rucksack 50 l. Mal sehen, was mir so begegnet. Am Ende zeigt der Tacho knapp 3600 km mehr, das sind rund 2000 nautische Meilen.
Pfingstsamstag 06:30 sieht das Wetter deutlich besser aus als angedroht, noch kein Regen, wenig Wolken, Straßen nach nächtlichem Gewitter wieder trocken. Rauf auf die Lucy. Die Trecker schlafen noch unter Bäumen, und die Sonne zieht allmählich die Decke von den Feldern. Es ist kühl. Ich freue mich drauf, dass es beim nächsten Tankstopp angenehm warm sein wird und ich beim übernächsten hoffentlich den Windstopper ausziehen werde. Wenn das Wetter hält. Denn es ist eigentlich ein Unwetter für die nächsten Tage angesagt, das den gleichen Weg wie ich nehmen möchte. Mein erstes Tagesziel ist Thüringen, und ich beschließe an der ersten Tanke, eine östlichere Route als eigentlich geplant zu nehmen, Richtung Nürnberg. Unterwegs bin ich vorzugsweise auf kleinen Straßen, Orientierung nach Himmelsrichtung klappt ganz gut bis Nürnberg. Jetzt wird es schwieriger, denn ich kenne die Gegend nur von der Autobahn. Als Karte habe ich nur das Handy dabei, und ich will nicht ständig anhalten. Schließlich bin ich doch Richtung Bamberg auf der Landstraße gelandet. Mein kleiner Vorsprung vorm Wetter schrumpft inzwischen, von hinten links kommen die dicken dunklen Wolken. Jetzt aber Gummi! In Thüringen ist es dann schwarz über mir. Als das Bollern unter mir auf dem Parkplatz der kleinen Pension stirbt, beginnt es über mir zu Bollern. Es fallen aber nur ein paar Tropfen. Auf meinem Rundgang durchs Dorf begegne ich Günther, 83 und zugezogen. Er erzählt mir von seinem glücklichen neuen Leben hier und hat den Schalk im Nacken. Die Zeit vergeht dort lansamer, man lebt stärker mit der Natur, spürt die Jahreszeiten und momentan jede Menge Grün. Später trefe ich beim Abendbrot auf ein fröhliches Paar aus Erfurt, unterwegs per Fahrrad. Es gibt Rostbrätel, gutes regionales Bier und prächtige Stimmung. Später kommt noch Lodi hinzu und jede Menge Kräuterschnaps ...
Gegen 04:00 weckt mich prasselnder Regen. Der ist zum Frühstück immer noch da und auch zur Abfahrt gegen 09:00. Also Vollschutz. Die Straße Richtung Rudolstadt ist gesperrt, Umleitung über kackelige Sträßchen mehr schlecht als recht ausgeschildert. Für diese Straßen hätte ich gern eine Enduro, heute sind sie zum Teil noch zusätzlich mit Sand und Schotter überspült und gut unter Wasser. Also langsame Fahrt und Pianissimo am Gas. Die Brille beschlägt ständig - Fahrtwind fehlt. Über Saalfeld gelange ich dann doch noch nach Rudlostadt und über Jena nach Naumburg. Herrliche Gegend zum Motorradfahren, selbst bei Regen. Ich fühle mich wie Käptn Nemo. In Querfurt hört der Regen auf, und ich pelle mich in Eisleben aus der Regenpelle. Drunter bin ich ziemlich klamm - vielleicht trocknet das bis zu meinem nächsten Ziel Dessau. Natürlich will ich nicht die großen Bundesstraßen fahren, sondern per Himmelsrichtung ... Ich knattere sicher eine Stunde länger im Kreis über die Dörfer und erlebe Straßen, die wohl noch aus dem 30jährigen Krieg stammen. Härtetest für Lucy. In Dessau gibt es am nächsten Tag die neuen Meisterhäuser / Bauhaus zu sehen und eine schöne Ausfahrt mit einem 1930er Ford nach Wörlitz. Zürück in Dessau gibt es erstmal wieder Gewitter und eine zusätzliche Übernachtung.
Fortsetzung folgt.