Und jetzt kommen wir endlich zum Clou dessen, was ich Euch mit diesem langatmigen, (elektro)technischen Sermon eigentlich rüberbringen wollte:
- aus welchen (elektro)technischen Gründen m.E. aus dem Early Shovel eigentlich ein Late Shovel wurde
- dass schon seit den 30ern "Modernisierung" nicht nur Verbesserung für den Kunden, sondern praktisch immer auch Senkung der Produktionskosten durch Vereinfachung mit versteckten Nachteilen zu Lasten des Kunden bedeuted
Foto 2: Ab Modelljahr 1929 krempelte Harley seine gesamte Modellpalette radikal von der Vor-WKI-Technik der J-Modelle auf die zeitgemäße Technik der Small-und Big-Flatheads der D/R/W und der V/U -Modelle um. Das war ein Bruch über alle Modellreihen, der uns in dieser Radikalität dem Hörensagen nach erst jetzt mit Modelljahr 2017 wegen Euro 4 wieder bevorsteht. Wichtigste elektrotechnische Änderung: Der hufeisenförmige Zündmagnet entfiel ersatzlos, damit zum Nachteil des Kunden die batterielose Betreibbarkeit des Motors, denn der Strom für die kleine Wicklung der Zündspule kam ab jetzt ausschließlich aus der eigentlich bis in die 2000er Jahre gebräuchlichen, wenig zuverlässigen Wasserbatterie. Fiel die (relativ häufig) aus, half auch ein Kickstarter nix mehr, weil ohne Zündstrom aus der Batterie in der kleinen Wicklung kein Erregerstrom für die Zündung In der grossen Wicklung. Bei solchen elektrischen Anlagen dient ein Kickstarter nur noch als Normaler Starter oder ab der E-Startzeit zur Startmöglichkeit bei ausgefallenem Starterelais oder Starter - Freilauf, nix sonst.
Foto 6: (Nach Umstellung des Forums auf 10 Bilder/Post konnte ich das Bild nachträglich hier einfügen) Das führte schon damals prompt, wie wir es ja auch aus jüngerer Zeit von solchen Harleymanagemententscheidungen her zur Genüge kennen, zu einer blühenden Aftermarketindustrie für nachrüstbare Zündmagneten mit dem typischen Hufeisenförmigen Gehäuse, die bis zum Lateshovel hin Bestand hatte. So sah ein anstelle des Unterbrecherdöschens nachrüstbarer Zündmagnet aus - hier an einem WL-Motor-, den Kunden ab 1937 für die Kleinen und großen V2 mit moderner, billiger, unzuverlässiger Zündstromversorgung aus der Batterie nachrüsteten, um die alte, Batterielose Zündmöglichkeit wieder herzustellen
Foto 2: Mit dem Zündmagneten ging auch gleich der aufwendige Zündverteiler über die Wupper (Indian behielt ihn bei einigen Modellen, nun aber mit Verteilerfinger wie beim Auto bei), an die Stelle tritt bis zum Early Shovel ein stillstehender Unterbrecher ( im Foto 2 die glänzende Dose rechts geneigt stehend vor dem vorderen Zylinderfuss), der von einer Nocke mit 2 Spitzen (für jeden Zylinder eine) vom Kontakt abgehoben wurde sodass nun immer beider Kerzen bei jeder Wellenumdrehung versetzt , eine davon natürlich sinnbefreit, zündeten, was ihre Lebensdauer glatt halbierte, eine erheblich primitivere Lösung gegenüber dem vorherigen Zündverteiler. Wir glauben, dass bei dieser Lösung einige Zündprobleme auch dadurch entstehen, dass der Unterbrecher zwischen den beiden Nockenspitzen zu kurz oder gar nicht mehr richtig schließt, weil seine Rückholfeder flattert, was die "Wiederaufladung" der Zündspule durch Induktion von der kleinen in die große Wicklung verschlechtert. Das führt zu den Charakteristischen (ich weiss, von einigen hier im Forum heissgeliebten
) Zündaussetzern, die man bei Unterbrecherzündung bei Standgas von dem von der nachfolgende Unterbrechernocke gezündeten Zylinder hört. Auch deswegen wohl der Zündverteiler bei Indian, die haben diese Aussetzer nämlich nicht. Diese "Doppelnocke" sitzt auf einer Welle, die nach oben schräg aus dem Kaskadengehäuse ragt und von einer Schneckenverzahnung (siehe vorheriger Post!!!) angetrieben wird. Die Trägerplatte des Unterbrechers ist gegenüber der Welle mit einem Bowdenzug auf Spät- oder Frühzündung verdrehbar. Auf das Ende dieser Welle kann man statt des Unterbrechermechanismusses natürlich auch einen Aftermarketzündmagneten, genauer, dessen Ankerwelle mit verstellbarer Unterbrecherplatte setzen, mit feststehendem Hufeisenmagneten drumherum. Die Harleykunden waren angesichts der riesigen Entfernungen zwischen den Gemeinden in der USA natürlich nicht blöd und erkannten sofort, welches Ei Ihnen Harley da ins Nest gelegt hatte.
Foto 1: Mit Foto 1 will ich Euch zeigen, dass sich die "Lichtmaschine", von Harley nun technisch korrekt "Generator" genannt, in ihren Abmessungen gegenüber vor 1929 nicht wesentlich geändert hatte: Sie hatte immer noch eine lange zylindrische Form mit relativ bescheidenem Durchmesser. Dazu muss man wissen, dass die Leistung einer Lichtmaschine wesentlich mit ihrem Durchmesser und kaum mit ihrer Länge steigt. D.h. die gebrechliche, für den Zündstrom nun alles entscheidende Wasserbatterie wurde ab 1929 bei den BigTwins bis 1969 (bei der Sporty bis 1981) nun verschärfend auch noch von einer unterdimensionierten Lichtmaschine geladen, die ursprünglich eben nur zur Lichterzeugung dimensioniert war. Bis 1969 war das auch noch eine Gleichstrom- Lichtmaschine , die dafür berüchtigt ist, dass sie nennenswerte Ladeleistung erst bei (für den Harley-V2 zu) hohen Drehzahlen erreicht. Die Lichtmaschine wanderte von ihrem althergebrachten Platz hinter dem Kurbelgehäuse des J-Modells ab den Flatheads (klein und gross) nach davor zwecks besserer Kühlung der durch den - nun ständig vom Regler abgerufenen, wegen der zusätzlich versorgten Zündung höheren - Stromfluss stärker als früher erwärmten Wicklungen. Die Zahnradkaskade musste bleiben, da Bill Harley eisern die technisch hervorragende, aber teure Philosophie verfolgte: "Keine Ketten nicht im Motor selbst", die erst beim Twincam über Bord geworfen wurde. Wie wir ja mittlerweile wissen, wurde dem TwinCam-Kunden damit eine weitere Schwachstelle mit kostspieligen Folgen (Möglichkeit von Schäden, zur Verhinderung regelmäßige Überprüfungen, unexaktere Steuerzeiten insbesondere nach Lastwechseln) eingebrockt. Paradoxerweise gibt es diese teure und hochwertige klassische Harley-Motorenphilosophie nur noch bei der vergleichsweise günstigen Sporty. Das verstehe, wer will...
Foto 3 + 7: Unter der Zahnradkaskadengetriebe -Gehäusehälfte von Foto 2 (nein, eben KEIN rechter "Seitendeckel", weil Kurbel- und Nockenwelle darin gelagert sind) sind die Zahnräder auf ACHSEN gelagert, die als Kaskade den Generator antreiben, dessen Welle durch das am vom rechten Bildrand angeschnittene Loch ragt, die logischerweise ein Antriebszahnrad zwecks Antrieb von der Kaskade trägt. Da ich hier im Forum öfters mal eine Verwechslung der Begrifflichkeiten "Achse" und "Welle" gelesen habe, hier als Hilfestellung die Erklärung: Eine "Welle" ist eine drehbar gelagerte "Stange", auf der sowohl mitrotierende Teile wie z.B. Zahnräder befestigt sein können als auch Teile wie z.B. Zahnräder ihrerseits frei drehbar gelagert sein können. Eine Stange ist immer dann eine Achse, wenn sie an ihren Auflagern festgeschraubt ist und sich auf ihr Teile wie z.B. Zahnräder frei drehen können. Die Befestigungsschrauben der Achsen am Kurbelgehäuse kann man im Foto 3 im Frontend der Achsen schön sehen.
Foto 4: Ab 1965 wollten auch die Harleykunden für Ihre BigTwins keine manuelle Zündverstellumg mehr akzeptieren, die bei der europäischen Konkurrenz bereits ausgestorben war, seit Bosch mit der automatisch per Fliehgewicht erzeugten (Früh-)Zündzeitpunktverstellung 1935 seinen nächsten Coup gelandet hatte. Warum konnte Harley das 1936 für den Knucklehead nicht gleich mitübernehmen? Bis dahin waren sie doch auch treue Boschkunden gewesen? Mit der möglichen erheblich höheren Verdichtung durch die gegenüber den Flatheads extrem verkürzten Flammwege (warum, steht im Thread
Langhuber) des Knucklehead hatte sich Harley durch die riesigen Einzelhubräume von 500ccm, kurz darauf sogar 600ccm, selbst ein Bein gestellt, da sie dem Kickstarter einen erheblichen Widerstand entgegensetzen, weswegen die Polizei lieber die niedrig verdichteten Flatheads oder gleich die Indian 4 nahm. Deswegen musste Harley für einen möglichst sicheren Motorstart schon nach ganz wenigen Tritten (am besten nur einer) sorgen. Das ließ sich nur über Beibehaltung der manuellen Zündverstellung erreichen, weil man die beim Start manuell auf "späten Zündzeitpunkt' stellen und diesen auch bei höheren Drehzahlen zum sicheren Verhindern des Absterbens beibehalten konnte, bis der Motor warm ist. Wenn beim kalten Motor nämlich früh gezündet wird, wird gezündet, wenn der Kolben im Verdichtungstakt noch nicht so weit oben ist. Die bis zu diesem frühen Zündzeitpunkt = dieser niedrigen Kolbenstellung im Zylinder erzeugte Verdichtungswärme reicht bei kaltem Motor nicht zum Start oder Warmlaufbetrieb aus. Typischer Effekt: springt kurz an, Fliehgewichte stellen auf früh, säuft mangels ausreichender Verdichtungswärme ab, Zündkerzen trocknen, das gleiche Spiel noch dreimal oder mehr, je nach Aussentemperatur. Ich fuhr meinen Early Shovel "kick only" daher nur noch über 20 Grad C Aussentemperatur. Auf den ersten laienhaften Blick absurderweise springen also Harleys vor 1965 mit manueller Zündverstellung besser an
!!! Hinzu kam noch der Verzicht auf den Zündmagneten, was bei damals üblicherweise chronisch schwacher Batterie den Zündfunken noch mehr schwächte und die Startschwierigkeiten weiter verschlimmerte. Bei den Europäern mit ihren 250 bis Max 325 ccm Einzelhubraum (nach WK II) waren wegen des viel geringeren Vedichtungswiderstandes auch häufigere Tritte auf den Kickstarter akzeptabel. Deswegen musste Harley die manuelle Zündverstellung solange beibehalten, bis der enorme Verdichtungsdruck durch einen E-Starter überwunden werden konnte. Der vorm Kurbelgehäuse nur schwächlich im Durchmesser dimensionierbare Gleichstromgenerator war damit ab 1965 hoffnungslos überfordert und so zog Harley ab 1970 mit einem Alternator (so korrekt genannt wegen der Rückkehr zur Permanentmagneterregung, jetzt aus dem Rotor, sogar technologisch gleichauf mit den Japanern. Wegen dem großen Durchmesser der Langhubkurbelwelle war sogar ein Rotor mit besonders großem Durchmesser, also in der damaligen Motorradwelt konkurrenzlos leistungsstark, möglich.
Foto 5: Beim Twin Cam ist ein nochmal vergrößerter Durchmesser möglich, der wegen ABS und Einspritzung aber auch bitter nötig ist.