@niterider: Es ist nicht gar so einfach und ich neige in dieser Sache zu einer etwas differenzierteren Sichtweise.
Aber der Reihe nach:
Zunächst hast du vollständig recht, ein gut eingestellter Motor braucht keine Lambdas, solange er keine Abgasgrenzwerte einhalten muss. Aber da muss man erst einmal hinkommen und damit meine ich insbesondere einen sauberen Abgleich der tatsächlichen mit den angenommen VE-Werten der EFI, auf die letztlich die Einspritzmenge abgestimmt wird. Die Abstimmung funktioniert nur, wenn ich die tatsächlichen AFR-Werte auch messen kann. Das kann ich auf einem entsprechend ausgerüsteten Prüfstand mit Breitbandsonden machen oder als Low-Cost-Methode mittels eines Autotune-Verfahrens und den eingebauten Sprungsonden. Natürlich sind die Sprungsonden nur in einem sehr schmalen Bereich um AFR 14.7 (Lambda =1) wirklich genau. Je weiter das Gemisch davon entfernt ist, desto ungenauer wird die Messung und desto ungenauer ist die Regelung (ja es ist eine Messung, denn es werden Spannungswerte an die ECU gemeldet !). Deshalb muss man auch bei einem Autotune-Verfahren mehrere Tuningläufe machen, bis sich die VE-Werte kaum noch ändern (itteratives Verfahren). Dann kann man davon ausgehen, dass sie einigermaßen stimmen. Mit Breitbandsonden (wie sie Prüfstände und einige Fahrer verwenden) ist das völlig easy, die messen auch weit jenseits von Lambda 1 genau.
Wenn ich nun den Auspuff, Krümmer und den Luftfilter gegenüber dem Serienzustand ändere habe ich andere VE-Werte, die mit den angenommen Werten der EFI (Serienmap) nicht mehr übereinstimmen. Ich muss der EFI also wieder die richtigen Werte für jeden Lastzustand und jede Drehzahl beibringen. Sorry, da hilft nicht anderes als messen. Wenn die Werte einmal stimmen kann ich die Sonden eigentlich abmontieren. Ich sage "eigentlich", denn wenn ich den closed loop also Lambdaregelung verwende, wird sich die EFI langsam auf unterschiedliche Spritsorten und Luftdruckverhältnisse einstellen (dafür gibt es Korrekturtabellen in den Maps, die aber leider nicht mit herkömmlichen Tuningtools erreichbar sind). Das funktioniert bei den Sprungsonden aber nur in einem schmalen Band von etwa AFR 14.2-15.2. Im Teillastbereich fahre ich aus diesem Grund im closed loop.
Die vorgefertigten Dynojet-Maps sind Prüfstandsmaps mit den gewählten Komponenten die natürlich auch eingemessen wurden. Wenn ich diese aufspiele kann es besser werden, muss aber nicht, weil meistens genau die Kombi als Map für das Baujahr und den Typ nicht verfügbar ist. Weiterhin ist auch die Serienstreuung so gross, da hilft nicht anderes als Autotune. Als "Fatboy1962" muss man also darauf vertrauen, dass alles zusammenpasst, denn ich kann zwar Veränderungen in WinPV eingeben, weiss aber nie ob ich richtig liege.
Kurze Rede, langer Sinn: Ich kann natürlich Lufi, Puffi und die Krümmer ändern und auch AFR 13.2 vorgeben, nur werde ich diese dann nicht mit Gewissheit erreichen, weil mir die tatsächlichen VE-Werte das Gemisch entweder zu mager oder zu fett machen. Ich kann mich also darauf nicht verlassen und muss mir wild umherspringende Werte gefallen lassen. Das geht auf Kosten des Drehmoments und eines sauberen Ansprechens bei Lastwechseln. Aber auch das muss kein Beinbruch sein, wenn es mir darauf nicht ankommt.
Ach übrigens, die modernen Harley TCs haben eine Ventilüberschneidung von etwa -8 Grad, also gar keine. Die Erhöhung von Leistung und Drehmoment bei offenem Auspuff und Luftfilter sind alleinig den verbesserten Strömungsverhältnissen vor dem Einlassventil und nach dem Auslassventil zuzuschreiben, also letzlich den ausschließlich damit verbundenen besseren Füllgraden der Zylinder (VE).
Ich persönlich möchte auch keine Wissenschaft daraus machen und niemanden bekehren, jeder soll so fahren wie er möchte, nur soll mir keiner weismachen er würde trotzdem einen gut eingestellten Motor fahren. Die Hersteller selbst bauchen dafür auch hundertausende Km.
Gruß Michel
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CAN-Bus Fahrer
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