interessanter bericht...
So will Bayern die Scheichs besiegen
Die Münchner bringen seit Jahren keine eigenen Junioren in die 1. Mannschaft. Jetzt haben sie 70 Millionen Euro in einen Bau investiert.
Als der deutsche Fussball-Rekordmeister am Montag sein 70 Millionen Euro teures Nachwuchsleistungszentrum namens «FC Bayern Campus» einweihte, spielten im Festzelt «Die Heufelder» aus Markt Bruckmühl im Kreis Rosenheim: vier Musikanten in Tracht, mit Trompete, Klarinette, Akkordeon und Gitarre. Und eigentlich war es danach schon fast schon egal, was alle Beteiligten zum feierlichen Anlass zu sagen hatten - das war sie schon, die Botschaft, die der
FC Bayern München an diesem Tag hinaus senden wollte: Wir machen jetzt im modernen Fussball mit. Aber wir machen es auf unsere Weise.
Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge haben in diesem Sommer viel von dem eigenen Weg des FC Bayern gesprochen, von Investitionen in Steine statt Beine. Der Brasilianer Neymar wechselte für 222 Millionen zu Paris St. Germain, Ousmane Dembélé von Borussia Dortmund soll 150 Millionen Euro teuer sein; Hoeness nennt den internationalen Transfermarkt nur den «Transferwahnsinn». Als die Heufelder fertiggespielt hatten, betrat er die Bühne. Mit der neuen Akademie, sagte er, «geben wir die richtige Antwort auf die Entwicklungen im internationalen Fussball». Und: «Vielleicht gelingt es uns, den Vorsprung, den die anderen haben, auszugleichen.»
Alaba war der Letzte, der es in die erste Mannschaft schaffte
Der FC Bayern ist zwar bekanntlich in den vergangenen fünf Jahren fünfmal deutscher Meister geworden und er dürfte auch in diesem Jahr wieder ganz gute Chancen auf den Titel haben. Doch wenn es um den eigenen Nachwuchs ging, haben Hoeness und Rummenigge zuletzt öfters deutliche Kritik geübt. Aus der Bayern-Jugend kamen in jüngster Zeit keine Spieler mehr oben bei den Profis an. Während in Dortmund, Leipzig oder Hoffenheim Nachwuchsleistungszentren gebaut, Konzepte erarbeitet und Spieler ausgebildet wurden, investierte der FC Bayern eher in die Spieler aus Dortmund, Leipzig oder Hoffenheim.«Wir haben da in den vergangenen Jahren nicht so gut gearbeitet», sagt Hoeness. Der Österreicher David Alaba, 25, war der Letzte, der es aus der Jugend in die erste Mannschaft schaffte. Auf den nächsten Bayern, den nächsten Thomas Müller, Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger, der die von Hoeness beschworene Identität des Klubs verkörpert, warten sie voller Sehnsucht.In diesem Sommer haben die Münchner immerhin so viel getan, um diese Sehnsucht zu stillen, wie seit Jahren nicht mehr. Sie haben die Nachwuchsspieler Torben Rhein, Nemanja Motika, beide 14, und dessen kleinen Bruder Nikola, 13, von Hertha BSC Berlin geholt, bis zu 200 000 Euro Ablöse wurden kolportiert. Die U-17 und die U-19, jahrelang ziemlich erfolglos, erreichten dieses Jahr den Final um die deutsche Meisterschaft, die U-17 gewann ihn sogar. Zwar sollen die Beteiligten darüber selbst sehr überrascht gewesen sein, doch auch das war ein Signal: «Wir haben einige Vorarbeit geleistet», sagte Hoeness. Und nun haben sie also auch ein Nachwuchszentrum. 26 Jugendspieler wohnen schon auf dem Gelände, es gibt 35 Appartements. Der Campus hat eine eigene Bushaltestelle, er ist rund viermal so gross wie das Trainingsgelände an der Säbener Strasse, 30 Hektar, acht Sportplätze, ein kleines Stadion. Natürlich fehlt nichts, was junge Fussballer im Jahr 2017 so gebrauchen könnten, in einem Aufenthaltsraum stehen neben dem kinogrossen Bildschirm gar Gesellschaftsspiele, Vier gewinnt und Monopoly.Nun müssen sie nur noch herausfinden, wie der Weg des FC Bayern genau aussehen soll, was sie den Fussballern hier beibringen wollen. In der berühmtesten Nachwuchsakademie der Welt, La Masia vom FC Barcelona, werden die besten Kurzpass-Spieler des Planeten ausgebildet, in jeder Altersklasse treten die Teams im gleichen System auf. Bei RB Leipzig wird Pressing-Fussball gelehrt. Und bei den Bayern?
Mindestens alle zwei Jahre soll ein Spieler den Sprung schaffen
Am Montag führten die Leiter des Nachwuchszentrums über die Anlage, Hermann Gerland, 63, und Jochen Sauer, 45, zuvor Geschäftsführer bei Red Bull Salzburg. Es sollen demnächst Konzepte erarbeitet , über Spiel-Ideen geredet , die Scouting-Abteilung verbessert und internationalisiert werden, sagte Sauer. Dafür ist auch Gerland zuständig, der frühere Assistenz- und Reserve-Trainer, Ausbilder von Lahm, Schweinsteiger und Müller und eher ein Mann der alten Schule. Er liess am Campus erst mal ein Kopfballpendel aufstellen. «Die Anlage ist überragend», sagte Gerland. Er führte eine Fitnessübung vor, er referierte über seine Trainingsphilosophie: «Wir wollen wieder da hinkommen, dass die Spieler topfit sind.»Sauer, Gerland und Hasan Salihamidzic, der neue Sportdirektor, sollen die Entscheidungen im Bayern-Campus verantworten. Er wünsche sich, sagte Hoeness, «in Zukunft viel Erfolg zu generieren». Mindestens alle zwei Jahre soll ein Spieler den Sprung schaffen. Ein Schlüssel dafür, betonen sie, sei der Erfolg der wichtigsten Nachwuchsmannschaft, der U-23, die von der Regionalliga in die dritte Liga aufsteigen soll. Am Wochenende verlor die U-23 gegen ein Team namens FC Pipinsried 0:1. Souveräner Tabellenführer ist derzeit eine Mannschaft namens TSV 1860 München. Es gibt viel zu arbeiten an der Zukunft des FC Bayern, an Ideen, wie der Meister auch in der Ausbildung zur Nummer eins aufsteigen kann. «Doch ein Umzug», sagte Sauer, «eignet sich ja zum Neuanfang.» (baz.ch/Newsnet)