Rücktour - Teil 2: Dienstag 25.05.2010
Ziel: Heimatliche Gefilde, meine Couch ...
Strecke: ca. 800 km,davon 650 km Autobahn
Pässe: Fehlpass, leider liegen keine mehr auf dem Weg
Start: 09:15
Ankunft: 21:00
Fortsetzung ...
Und dann: Ich bin im Paradies. Wie zur Hölle komme ich ins Paradies ... ? Es passiert einfach so, mein Blick wandert vom Igelplakat nach vorn ... und da ist es ... das Ortseingangsschild von Neuparadies, ein Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit. Schon bin ich drin. Im Neuparadies. Nicht in diesem gebrauchten, von jedem zitierten, dem abgegriffenen Paradies. Nein, ich bin im Neuen, wahrscheihnlich im neuesten Paradies überhaupt. Sieht nett aus, ruhig und idyllisch - Paradies halt. Während ich mich über die momentante Gesamtsituation amüsiere, passiert es: ich entweiche dem Neuparadies. War wohl nicht gut genug oder war ich nur zu schnell und unentschlossen. Heute Morgen wollte ich noch ein Zimmer auf Lebenszeit buchen und jetzt? Nicht bereit fürs Paradies.
Nun der Klopfer Teil II. Während ich so vor mich hin sinniere, fliegt an mir ein weiteres Ortsschild vorbei. Beschriftet: PARADIES. Es fegt mich fast aus dem Sattel, Lachflash. Letzte Chance zur Einkehr ins Paradies. Also Maikel nicht so zerissen, ab ins Paradies. Latent wird mir klar, was mich abhält. Rechter Hand ein Schild in Pastellfarben, das wenig einladend für die Altersresidenz "Zur deutschen Eiche" wirbt. Wohl eine Art Vorhimmel, bevor man tatsächlich eingelassen wird.
Nein, alles wenn's soweit ist. Paradies oder Hölle egal, immer direkt, ohne Umwege, keine Zwischenstopps. Nicht jetzt.
Erster Zwischenstopp auf unserer Strecke: Schaffhausen, Rheinfälle. Durch die City geschlängelt. Für einen Augenblick, dachte ich Broti hätte am Navi die Sightseeing-Tour reingefummelt. Irgendwie drehen wir Sonderrunden. Bekommt der Zulagen vom Fremdenverkehrsamt? Die Rundfahrt endet am Parkplatz der Rheinfälle. Die Sonne knallt aufs Plaster, wir sind nicht allein. Ja ist denn noch Pfingsten? Die Bikes werden gesichert, wir bummeln zum Rheinufer, mischen uns unter die Ausflugsgäste. Familien, Reisegruppen, Pärchen, Mütter mit Kindern - alle geniessen das Wetter und den sprudelnen Rheinfall.
Mit einem Boot kann man sich zu einem inselartigem Felsen bringen lassen und dort über eine Leiter nach oben aufsteigen. Obenauf steht man mitten im Rheinfall. Das muss die Sensation sein, die Boote für die Überfahrt sind auf Stunden ausgebucht. Uns genügt zusehen, die Zeit reicht auch nicht. Zwei Eis und eine Cola später sitzen wir wieder auf, es geht weiter.
In der Autobahnauffahrt ist es endgültig, mehr als 600 km vor uns, die Alpen im Rücken, Stuttgart und Frankfurt vor uns.
Das Wetter bleibt vorerst stabil. Nicht so stabil ist die Spurführung des LKWs mit Auflieger vor uns, der eiert und schlängelt in seiner Spur und über die Fahrbahnlinien, dass einem schwindlig wird. Da bleiben zwei Optionen: Abstand halten - ist nicht so ideal, weiss der Kolibri, wann der sich querstellt - oder flink vorbei und sich voraus, in die Ferne verabschieden. Wir wählen wortlos Option zwei. Weit am äusseren linken Rand stürmen wir vorwärts. Ein Blick in die Fahrerkabine ernüchtert. Der Typ futtert Bockwurst von der Pappe. Weil eine für den dicken Trucker nicht reicht, hat er zwei von den Rotwürsten beim Wickel. Das gestaltet sich für einen normal ausgestatteten Menschen mit nur zwei Armen schwierig, gleiches gilt für beleibte Trucker. Mindestens eine von zwei Händen gehört ans Lenkrad. Aber, wie heißt es so schön, frei nach Brecht: Erst das Fressen dann die Fahrkunst. Eine Wurst möchte mit der Rechten zum Frühstücksbunker geführt werden, während die andere Wurst durch künstlerische Elemente auf der Pappe an der A- und B-Note arbeitet. Der Trucker versucht wacker, dies mit der freien linken Hand zu unterbinden. Die hält jedoch schon jonglierend die Pappe, also angelt er mit dem Daumen nach der Rollwurst. Womit zum Henker lenkt der? Mit dem Knie? Dann ist der Typ einbeinig, hat mindestens ein Holzbein oder es klemmt der Krug Bockbier zwischen den Beinen. Bockwurst macht durstig. So celebriert er den Trucker-Freestyle - Pokalverdächtig. Ist sicher eine Pflichtdisziplin auf 'nem Truckerfestival und er ist Titelanwärter.
Morbide Gedanken beschleichen mich. Wenn ich könnte ich würd den Trucker erwürgen und wiederbeleben. Nochmals erwürgen und erneut wiederbeleben. Nochmal und wieder. Und aufs Neue. Bis er, zwischen Wiederbeleben und Erwürgen, bei seiner Truckerseele Besserung schwört.
km ... km .. km .. km.. km .. km .. km .. km .. km .. km .. km .. km.. km .. km .. km
weisse .. Linien .. weisse Linien .. weisse Linien .. weisse Linien .. weisse Linien .. weisse Linien .. weisse Linien
... Raaaaaaaaaandstreeeeeiiiiiifeeeeeeeeen ...
Ich will auf die Couch, mit zwei Bockwürsten und Bockbier. Dazu Need for Speed oder DriftCity.
Der Troll auf dem Supersportler hatte davon bestimmt eine Überdosis. Er klebt an einem Reisebus. Den Abstand würde ich großzügig auf 1,5 meter schätzen. Gößer war die Sozia auch nicht. Der heizt mittig hinter dem Bus und freut sich offensichtlich über den Windschatten bei 120 kmh. Vermutlich verwahrt er sein Hirn sicher im Einweckglas neben dem Zahnputzbecher. Bei einem Auffahrunfall könnte dem ja was passieren. Weg, ich muß und will hier nur weg. Dem Troll schenke ich einen Stinkefinger. Wenn ihn das provoziert, kommt er hinterm Bus vor und jagt uns. Besser als ihn später mit 'nem Pressluftschraper vom Busheck zu kratzen. Die neuronale Verknüpfung der Sinnesorgane mit dem Hirn im Einweckglas, verfügt nicht über die gewünschte Reichweite. Er bleibt am Bus. No more Comment.
Der Himmel verdunkelt sich unangenehm. Naja die Regensachen sind in Reichweite. Jepp, die Blitze auch. Schönes Schauspiel. Zwei Links, einer Rechts. Wie Omas Strickmuster. Noch einer Rechts. Klar einen fallen lassen. Strickmuster. Zack, ist die himmlische Darbietung zu Ende und der Regen ist da. Ein heftiger Auftritt, es pladdert aus allen Ritzen. Binnen 3 Minuten sind wir patschnass. Da der nächste Parkplatz, rechts raus. Wenigstens die Regenjacke überwerfen und warten bis weniger Tropfen die Erdnähe suchen. So zehn Minuten später fahren wir, bei weniger Regen, weiter.
Der Regen endet so abrupt, wie er begonnen hat. Es gibt wieder Sonne, prall. An der nächsten Raststätte halten wir. Mit Hotdogs und Kaffee laden wir uns wieder auf. Die Regenjacke kommt zurück in die Tasche. Die durchgenässten Handschuhe werden unter den Packgurt geklemmt, damit sie im warmen Fahrtwind trocknen. Wir verabschieden uns vorsorglich, Broti wird als erstes entschwinden, dann Falkenhorst, die letzten km werd ich solo fahren.
Die Bahn ist frei wir düsen weiter, verabwinken Broti. Falkenhorst zeige ich die Teufelsgabel zum Abschied. Mann war das geil! Wohliges Nachrauschen in der Bikerseele. Die letzten km schnurren unter den Reifen weg. Ich rolle in die Garageneinfahrt.
Zu Hause. 20:49 Uhr. 2.509 km. Trockene Handschuhe. Alpenstürmer.
.
..
...
....
.....
......
.......
Epilog:
Beamen. Die armen Ratten von der Enterprise, die wurden gebeamt. Einfach so. Zick Zack. Rasend schnell. Man sieht nix. Man erlebt nix. Kein Fahrtwind. Wahrscheinlich wird einem noch kotzübel davon. Bewegungskrankheit, ohne sich bewegt zu haben. Armseelig.
Ich boykottiere beamen. Ich will mich nicht in glitzernden Nebel auflösen und woanders wieder auftauchen. Niemals!
PS.: Beim Beamen kann man keine Handschuhe trocknen.
.
__________________
.: aXRo ~ Harley !! ... lebe laut :.