...Eine GS muss man nicht putzen.
Jedenfalls nicht so oft wie diese chromblitzenden Cruiser oder diese kunstvoll mit lackierten Anbauteilen versehenen Reiskocher. Eine GS darf auch ruhig mal ein paar Gebrauchsspuren aufweisen.
Nun, nicht unbedingt ganz so eindrucksvoll wie die von Charly, aber der ist auch in dieser Beziehung ziemlich schmerzfrei. Auch was die Sauberkeit anging, da ist Charly auch kein ausgesprochener Putzfreak.
Wozu denn, die wird doch sowieso wieder schmutzig, ist da seine Maxime.
Hin und wieder mal mit dem Dampfstrahler oder dem Gartenschlauch draufhalten. Reicht doch.
Irgendwie stimmt das ja auch, aber es geht ja nicht nur um Sauberkeit. Es geht auch um … schwer zu sagen … worum es auch noch geht.
Das ist eben etwas anderes als bei einem Auto. Da fährt man durch die Waschstraße, und fertig. Kein echter Motorradfreund würde eine automatisierte Motorradwaschanlage benutzen, auch wenn es sie gäbe.
Man würde ja auch sein Pferd nicht in eine Pferdewaschanlage stecken. Jedenfalls nicht als echter Pferdefreund.
Dem Pferd wäre es möglicherweise egal. Aber das ist nicht der Punkt.
Vielleicht könnte man es schlicht und einfach als “manuelle Beziehungspflege“ bezeichnen. So aus einem psychologischen Blickwinkel.
Diese manuelle Beziehungspflege war auch eine der Stärken von Dietmar.
Der befummelte allerdings nicht seine GS, sondern die inzwischen mit einem Kleid versehene Veronika.
Nicht gerade ein Dirndl, aber auch eine von diesen Kreationen, bei deren Entwurf die Präsentation der wesentlichen Geschlechtsmerkmale wohl im Vordergrund stand.
Eindrucksvoll wurde uns vor Augen geführt, warum dieser Herr Rubens damals, lange bevor die Bulimie erfunden wurde, durchaus erfolgreich seine Werke an den Mann bringen konnte.
Wer hat, der hat. Und sie hatte reichlich.
So ziemlich das genaue Gegenteil von dieser Ramona. Dietmar war da nicht so festgefahren, was die reinen Äußerlichkeiten anging. Da ist er durchaus flexibel. Aber so war er immer schon, der Dietmar.
Was mich angeht, ich tendiere doch eher zu den mehr weiblichen Formen. Nicht so ganz wie der besagte Herr Rubens, aber doch lieber etwas mehr als etwas weniger.
Aber natürlich sind die inneren Werte doch letztendlich ausschlaggebend.
Selbstverständlich … aber bis man erst einmal soweit vorgedrungen ist.
Aber auch der längste Weg beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. In Anbetracht dieser alten Weisheit beschaffte ich erst einmal ein geistiges Getränk für die gute Veronika.
Die war momentan nämlich gerade wieder herrenlos, weil Dietmar sich um die plötzlich aufgetauchte Ramona kümmern musste.
Deren innere Werte durften ihm ja inzwischen bekannt sein, wenigstens in einigen wesentlichen Bereichen, deshalb musste er hier Prioritäten setzen.
Aber unter Freunden hilft man sich natürlich, wenn Not am Mann ist.
Wir hatten unseren Wirkungskreis inzwischen in den Restaurantraum verlagert, wo sich die Hotelgäste inzwischen an der Theke und den Tischen drängelten.
Fast alle hatten inzwischen ihre Fahrerkluft gegen Freizeitkleidung getauscht und machten sich über ihr Abendessen her.
Rainer, der R1-Pilot schien wie immer flüssige Nahrung vorzuziehen und lamentierte an der Theke herum. Die beiden Ducatitypen erklärten ihm wohl gerade, warum sein Fahrstil nicht unbedingt dazu beitragen würde, den allgemeinen Ruf der Motorradgemeinde zu verbessern.
Das konnte der wohl so nicht nachvollziehen und versuchte deshalb Leumundszeugen zu mobilisieren. Da aber scheinbar niemand der Anwesenden geneigt schien ihm hier beizuspringen, geriet er immer mehr in Rage.
Gemeinsam mit Veronika begab ich mich zum Ort des Geschehens, um wenigstens ein wenig zur Beruhigung der Situation beizutragen.
Rainer entdeckte mich und deutete erregt mit dem Finger in meine Richtung.
„Da … ihr könnt ihn fragen, der weiß genau das ich niemals an gefährlichen Stellen überhole!“
Rainer schien erleichtert, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihn nicht als gemeingefährlichen Rabauken bezeichnen würde.
„Naja, also manchmal ist es vielleicht ein bisschen eng, aber bisher hat es immer noch gepasst.“ Das war vielleicht nicht ganz das, was Rainer hören wollte, aber mehr würde er hier auch nicht bekommen. Das war ihm wahrscheinlich auch klar und deshalb setzte er ein zwar nicht ganz angemessenes, aber trotzdem überlegenes Siegerlächeln auf.
„ Na bitte, da hört ihr es. Es hat immer gepasst.“.
Der größere der Ducatitypen sah mich zweifelnd an und ergänzte: „Bisher … bisher hat es immer gerade noch so … höre ich da heraus“.
Ich hatte nun wirklich keine Lust, hier diesen Schnöseln einen Vorteil zu verschaffen. Die beiden wirkten überaus arrogant und schienen sehr von sich überzeugt zu sein.
„Pass mal auf … entweder hat man es drauf, oder aber nicht. Wenn ihr mit euren Spaghettiboliden immer im Weg rumsteht, dann dürft ihr euch nicht wundern wenn ….“. Ich unterbrach meine Rede und grinste den nun böse drein blickenden Italofreak lustig an. Alles nur Spaß!
Die beiden Ducatisti waren allem Anschein nach aber keine Rheinländer. Die konnten Spaß nicht von Provokation unterscheiden. Da konnte ich ja nun auch nichts dafür … wenn die keinen Humor hatten.
Die stammten wohl aus Schwaben oder Baden oder was weiß ich, aus welcher protestantischen Gegend. Jedenfalls aus einer Ecke, wo die Leute wohl zum Lachen in den Keller gehen.
Nachdem ich hier dann auch genug gute Laune verbreitet hatte, gingen wir zurück zu unserer Tischgruppe.
Es wurde etwas eng, aber das hat manchmal ja auch Vorteile.
Eng, laut und lustig. Die Bedienung schaffte fleißig Bier heran und Rolf verfiel auf die glorreiche Idee den hauseigenen Selbstgebrannten ins Spiel zu bringen.
Mithilfe eines Würfelbechers.
Das ist grundsätzlich eine durchaus geeignete Methode um die Stimmung zu heben. Es müssen nur eben die richtigen Leute verlieren. Das kann dann manchmal aber auch nach hinten losgehen.
Um dieses Risiko zu minimieren, hatte Rolf ganz eigentümliche Spielregeln parat.
Auf Anhieb erschloss sich einem unbedarften Beteiligten der tiefere Sinn dieser Regeln nicht, aber nach einer gewissen Zeit dämmerte mir zumindest, was hier gespielt wurde.
Die Mädels bekamen nicht genug Zeit um die ziemlich einfache Strategie zu durchschauen. Nach einer Stunde blickte keine der Damen mehr durch.
Rolf verkündete am Ende der Würfelrunde immer den Verlierer. Und die musste dann einen Alpenwurz kippen. Charly durfte gelegentlich auch mal verlieren, aber das hat ihn nicht weiter beunruhigt.
Er hatte die Regeln wohl verstanden, und wenn nicht, dann war es auch egal.
Natürlich entwickelte sich alles nach Plan. Um nicht vorzeitig einen ungewollten Totalausfall zu riskieren, musste ich dann auch schon mal verlieren. Rolf steuerte mit sicherer Hand den Spielverlauf aber irgendwie verlor ich bereits leicht die Übersicht. Veronika fühlte sich irgendwie immer besser an, und meine natürlich ungewollten und völlig zufälligen Berührungen schien ihr nicht sonderlich unangenehm zu sein.
Eher im Gegenteil, aber das konnte natürlich auch an ihrer wirklich bemerkenswerten Pechsträhne gelegen haben. Pech im Spiel …
Irgendwie schien ich auch kurzfristig eine kleine Pechsträhne erwischt zu haben. Aber Rolf wird schon nicht den eigenen Kumpel….
An den weiteren Verlauf des Würfelspiels kann ich mich so ganz genau auch nicht mehr erinnern.
Aber was dann danach passierte…