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Eine Woche im Bikerhotel

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Eine Woche im Bikerhotel

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:23
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Nicht von mir... Geklaut im BMW-GS-Forum !!!

Rolf war pünktlich.

Das war irgendwie keine besondere Überraschung, denn Rolf ist immer pünktlich.
Sein alter grüner Passat bog um die Ecke und zerrte mit offensichtlicher Mühe einen riesigen Anhänger hinter sich her.
Der Passat stoppte direkt neben meiner GS und Rolf sprang heraus.
„ Morgen, mein Freund“, begrüßte er mich fröhlich.
„ Und ob … wo hast du denn diese Kiste her?“, fragte ich entsetzt.
„Franky …!“, erwiderte Rolf ungerührt. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er auch noch stolz darauf war.
„Das ist doch ein Pferdeanhänger. Ein umlackierter Pferdeanhänger!“, bemerkte ich ungläubig. „Du hast mir doch erzählt, dass du den Anhänger vom letzten Jahr …“.
Rolf blieb völlig ungerührt: “Der war kaputt, da bin ich schnell bei Franky vorbei gefahren und hab mir den ausgeliehen. Der ist doch super, oder..?“
Super … und ob !

Ein in glänzendem dunkelbraun lackierter Doppelachs-Pferdeanhänger mit riesigen Harley-Davidson-Emblemen auf den Seitenwänden.
Wenn der nicht super war!

„Pass mal auf, da kommen jetzt noch zweimal 240 kg rein. Was glaubst du wohl, was das Ding dann wiegt. Wie viel darf die Karre hier denn überhaupt ziehen?“, fragte ich, mehr neugierig als ablehnend und beäugte dabei abschätzend den alten Passat.
Rolf zuckte die Schultern und klappte die hintere Ladewand des Anhängers herunter.
Die Diskussion war müßig. Rolf war der geborene Pragmatiker.
Wir mussten bis heute Abend in Tirol sein. Mit zwei BMWs auf einem Anhänger.
Das war der Plan. Und hier war der Anhänger.
Was gab es da zu diskutieren!

Gut, andere Zeitgenossen hätten jetzt im Fahrzeugschein nachgesehen, ob dieses Gespann überhaupt der StVO entspricht. Oder sie hätten sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht, ob man mit einem derart peinlichen Harley-Anhänger mit zwei BMWs vor einem Bikerhotel vorfahren kann.
Rolf war das alles völlig egal. Rolf war nämlich von Hause aus … Harleyfahrer.
Mehr durch Zufall als aus Überzeugung, aber dennoch konsequent.
Ansonsten hielt er sich an den alten Spruch: Papier ist geduldig.
Theorie und Praxis. Rolf ist ein überaus praktisch veranlagter Mensch. Von solch lächerlichen Kleinigkeiten, wie maximaler Anhängelast, lässt der sich nicht beeindrucken.

In dem Pferdeanhänger waren Schienen montiert. Das Verzurren meiner GS bereitete uns keinerlei Probleme.
Natürlich hätte ich meinen Krempel in einem Reisekoffer oder in einer Reisetasche transporti2eren können. Aber das kommt nicht infrage. Ich hatte alles in meinen beiden Motorradkoffern und in der Gepäckrolle untergebracht.
Auch das unterscheidet einen GS-Fahrer von einem Harley-Treiber.
Rolf hatte einen großen Reisekoffer dabei. Immerhin waren wir eine ganze Woche unterwegs. Lächerlich!
Keine Ahnung, was der alles eingepackt hatte.

Wir machten uns auf den Weg zum BMW-Händler. Zum vereinbarten Übergabezeitpunkt rollten wir mit unserem Monsteranhänger auf den Hof der Niederlassung. Der Mitarbeiter erwartete uns bereits.
Die rote 1200er Leih-GS stand schon abholbereit im Hof. Nachdem wir den unvermeidlichen Papierkram erledigt hatten, holte der Mitarbeiter tief Luft, um Rolf die technischen Geheimnisse des Fahrzeugs zu offenbaren.
Der Komiker hat tatsächlich ständig von ... dem Fahrzeug … gesprochen. Vermutlich hat er vorher die weißblauen Autos verkauft.
„Schon klar, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns“, unterbrach ihn Rolf.
Ich erklärte dem eifrigen Verkäufer noch, dass ich den technisch desinteressierten Harley-Jockey höchstpersönlich in sämtliche Geheimnisse des „Fahrzeugs“ einweihen würde. Dann verabschiedeten wir uns schnell.
Die rote GS wurde hurtig neben ihrer gelben Schwester verzurrt und wir rumpelten schleunigst vom Hof.

Der alte Passat musste sich mächtig ins Zeug legen um die geschätzten 1,5 Tonnen, die erbarmungslos an seiner angerosteten Hängerkupplung zerrten, auf der Autobahn in Schwung zu bringen. Wir hatten etwas mehr als 700 km vor uns. Geplant hatten wir etwa acht Stunden für den Trip.
Wie die meisten Pläne endete auch dieser, direkt beim ersten Versuch der Umsetzung.
Ein Stau folgte auf den anderen. Bei andauernden Gefechten um die mittlere Spur, gegen diese allgegenwärtigen Lkws, zog der tapfer kämpfende Passat häufig den Kürzeren. Es erwies sich als nahezu unmöglich, das Gespann kurzfristig auf Geschwindigkeiten, von mehr als 90 k/mh zu beschleunigen.
90 Benzin-PS mögen für ein Motorrad ausreichen. Für ein etwa 3 Tonnen schweres Gespann mit acht Rädern ist das aber sicherlich ein bisschen wenig. Auch spontane Bremsmanöver zeigten mehr als deutlich, dass die maximale Anhängelast erheblich überschritten war.
Aber was soll’ s. Nicht immer ist der Weg das Ziel. Nicht immer!
Rolf zeigte sich allerdings völlig unbeeindruckt. Er prügelte seinen alten Passat mit demselben Gleichmut über die Bahn, wie seine geliebte Harley über diverse Alpenpässe.
Nach der Tour im letzten Jahr musste seine derart geschundene HD E-Glide, mehrere Wochen in „Frankys Harley-Klinik“ abhängen.
Verbogene Stößelstangen, mehrere schwere Ausnahmefehler im Primärantrieb, eine verschlissene Kupplung, eine verzogene Bremsscheibe und einige weitere Kleinigkeiten. Abgefahrene Weißwandreifen, zum Beispiel.
Mussten natürlich immer Originalteile sein, auch die Reifen
Nachdem ich die Rechnung gesehen habe, beschloss ich spontan, mich nie wieder über BMW-Werkstattrechnungen zu beschweren.
Verschleißteile … war Rolfs einziger Kommentar.

Nicht etwa, dass Rolf in Geld schwimmen würde. Keineswegs.
Nicht zuletzt deshalb war es auch ein kluger Schachzug seiner cleveren Ehefrau, ihm dieses ausgefallene Geburtstagsgeschenk zukommen zu lassen.
Eine Woche mit 2.500 Freikilometern auf einer GS. Das ist zwar auch nicht ganz billig, aber Franky, der geschäftstüchtige Harleyschrauber, nimmt es von den Lebendigen.
Und damit Rolf auch weiterhin zu dieser Gruppe gehört, hat eben seine Frau zu dieser dreifach cleveren Maßnahme gegriffen.
Das entlastet mittelfristig die Haushaltskasse, erhält Rolfs Arbeitsfähigkeit und die Sache mit dem Geburtstagsgeschenk war auch direkt miterledigt.
Wenigstens eine in der Familie, die rechnen kann.

Unser pausenlos geforderter Passat soff wie ein Loch. Beim nicht eingeplanten zweiten Tankstopp wechselten wir zum zweiten Mal die Plätze. Die letzten geplanten 100 km übernahm Rolf wieder das Steuer.
Wir waren schon eine gewisse Zeit in Österreich unterwegs, als wir feststellen mussten, dass wir irgendwie vom Kurs abgekommen waren. Der Fernpass musste nun überwunden werden. Den wollten wir eigentlich umgehen.
Wer den kennt, der kann sich vorstellen, dass eine Überquerung mit einem völlig überforderten alten Passat, an dem auch noch ein fetter Pferdeanhänger hängt, wirklich kein reines Vergnügen ist. Es war mittlerweile dunkel und die trüben Lampen unserer Zugmaschine leuchteten in den Himmel wie Flakscheinwerfer.
Alle entgegen kommenden Fahrzeuge schossen mit ihren Lichthupen auf uns. Busse, Lkws, Holländer, eben alles, was so über den dunklen und feuchten Pass krabbelte.
Rolf schleuderte den Anhänger um die Ecken, wie der seelige Ben-Hur seine römische Pferdekutsche.
„Hattet ihr eigentlich früher auch Physik, in eurer Hilfsschule?“, keuchte ich, während ich mich am Sitz festklammerte.
„Masse, Fliehkraft und so … schon mal gehört?“, versuchte ich seinen rasanten Abfahrtslauf, ein wenig zu verlangsamen.
Rolf bückte sich, um nach seinem Feuerzeug zu suchen.

So ganz nebenbei bemerkt: Rolf ist mit großem Abstand, der beste Fahrer den ich kenne. Früher war er mal Kurierfahrer. Der hat es einfach im Blut.
Seine Fahrzeuge benutzt er, wie man eben Maschinen und Geräte benutzt.
Aber als sein Beifahrer braucht man gute Nerven. Verdammt gute Nerven!

Der Anhänger driftete eifrig hinter dem Passat durch die Kurven. Bergab kamen wir gut voran.
Rolf entschied sich kurzfristig, einen vor uns herschleichenden Reisebus zu überholen. Der Passat rappelte und dröhnte verzweifelt, als ihm wieder einmal alles abverlangt wurde.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden größer und heller.
Wir waren genau neben dem Bus und schoben uns nur sehr langsam vorbei.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden immer größer und immer heller.
Rolf zündete seine Zigarette nicht an, behielt sie aber im Mund.
Meine Augen traten langsam, ganz langsam, aus ihren Höhlen.
Ich hörte wie ich irgendwelche Laute von mir gab.
Rolf antwortete nicht. Der war vollauf damit beschäftigt, das Gaspedal durch das Bodenblech zu treten.

Das passt nicht!

Das passt im Leben nicht!
Das würde nur passen, wenn der Bus neben uns und der Entgegenkommende ordentlich in die Bremsen gehen würde.
Die Eindrücke, die meine Fingernägel im Armaturenbrett hinterließen, kann man heute noch bewundern.
Mit einem gewagten Schlenker quetschte uns Rolf vor den Reisebus. Dessen Fahrer entfachte ein wildes Hupkonzert und betätigte die Lichthupe wie ein durchgeknallter Flipperspieler. Der entgegenkommende Bus hatte fast bis zum Stillstand abgebremst.
Rolf suchte wieder nach seinem Feuerzeug.
„Knapp ...!“, verkündete er trocken.
„Echt..?“. Mehr viel mir nicht ein.
Damit war unser Kontingent an Schutzengeln plötzlich deutlich geschrumpft. Und wir waren noch nicht einmal angekommen.
Da werden wir wohl eineTagestour auslassen müssen. Man soll sein Blatt nicht überreizen.

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:24
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Ankunft

...Etwa drei Stunden später als ursprünglich geplant, rollten wir auf den großen Vorplatz, unmittelbar vor dem Eingang des Hotels.
Natürlich standen überall Motorräder und Hänger herum. Da wir uns hier schon bestens auskannten, manövrierten wir unseren Hänger hinter dem Hotel in eine geeignete Parkposition. Wir koppelten das hässliche Teil ab und stellten den Passat daneben.
Die Bude war ziemlich voll. Die Teilnehmer der gerade zu Ende gegangenen Biker-Week würden erst Morgen abfahren. Die neuen Leute, genauer gesagt, die Teilnehmer der Alpen-Express-Week würden größtenteils erst Morgen eintreffen.
Diese beiden Veranstaltungen trugen nicht von ungefähr unterschiedliche Namen.

Die Biker-Week waren eher für Alpenneulinge und für die mehr gemütlichen motorisierten Zweiradenthusiasten konzipiert. Tagestouren von 300-400 km und von Tourguides geführt, die sich grundsätzlich an den allgemein geltenden Verkehrsregeln orientierten. Derartige Kaffeefahrten wurden 3-4-mal in den Sommermonaten veranstaltet.

Die Alpen-Express-Week oder wie die Insider sagen, die Blood and Donor, findet mangels Masse nur einmal im Jahr statt. Mangels Masse klingt ein wenig missverständlich.
Also grundsätzlich gibt es ausreichend viel Nachfrage. Aber die Anzahl der Veteranen schrumpft jedes Jahr beträchtlich. Das liegt in der Natur der Sache.
Geeigneter Nachwuchs ist kaum vorhanden und die Gruppe der geeigneten Guides, zumindest derjenigen mit gültiger Fahrerlaubnis, ist ebenfalls sehr übersichtlich geworden.

Das Hotel und die Touren werden von Walter gemanagt.
Walter ist der Hotelboss. Auf dem Papier.
In Wirklichkeit wird das Hotel von Walters Frau gemanagt.
Die hat alles im Griff. Meistens auch den Walter. Aber eben nicht immer.
Walter hatte sein Hobby zum Beruf gemacht. Hotelboss war er nur nebenbei.
Es war überhaupt kein Problem sich für eine Biker-Week anzumelden. Wer allerdings bei der Alpen-Express-Week mitfahren wollte, brauchte vorher Walters Einverständnis.
Freundlich aber konsequent, wie einer dieser Türsteher mit Migrationshintergrund, entscheidet ausschließlich Walter über die Eignung der Bewerber.
Simone, Walters Frau traf üblicherweise alle Entscheidungen.
Aber wenn es um die Teilnehmer der Alpen- Express- Week geht … da führt kein Weg an Walter vorbei.

Rolf war der erste Harleyfahrer in der Geschichte des Bikerhotels, der Walters Ansprüchen genügen konnte. Rolf hatte im letzten Jahr selbst die abgebrühtesten Tourguides überzeugen können.
Seine Glanznummer war die Eroberung der Felsenhöhe. Eine Strecke, auf der sonst eher leichte und handliche Enduros die Nase vorne haben. Derartige Kandidaten waren zwar an diesem besagten Tag nicht dabei, dafür aber eine ganze Reihe anderer respektabler Veteranen.
Dieses Ereignis ist unter - „Die Jagd auf den braunen Elefanten“ - in die Annalen des Bikerhotels eingegangen. Diese fahrerische Glanzleistung bescherte Rolf reichlich Freibier am Abend, war aber wahrscheinlich auch ursächlich verantwortlich für den bereits erwähnten, mehrwöchigen Aufenthalt des besagten „braunen Elefanten“, in Frankys Harley-Klinik.

Der Stoff aus dem Legenden sind.
Rolf, der legitime Nachfolger des berühmtesten aller Elefantentreiber. Ähnlich spektakulär wie dieser Hannibal, der mit seinen Elefanten die Alpen überquerte, damals … Anno Tobak.
Ich kann wenigstens behaupten: … Ich war dabei!
Dabei, als 300 kg Alteisen aus Milwaukee, vorwärts getrieben von 1500 ccm mit dem entsprechenden Drehmoment und einem wild entschlossenen Reiter … dabei … als eben genau diese Kombination von Mensch und Technik, alle Theorien grau erschienen ließ.
Dabei, aber nicht vorbei. Niemand kam vorbei. Nichts und Niemand … !
Weder beim Aufstieg, noch bei dem mehr als halsbrecherischen Absturz.
Einfach nur Abfahrt, wäre hier zu bescheiden.
Das ohrenbetäubende Gebrüll aus den ausgeräumten Krawalltüten habe ich immer noch im Ohr. Immer wenn ich Rolf auf seinem Eisenhaufen sehe und höre, muss ich an diesen heroischen Tag in den Alpen denken.
Der Triumph des Willens. Aber natürlich auch und nicht zuletzt, die Vergänglichkeit alles Irdischen. Zumindest, was die wesentlichen Bauteile der Harley anbetraf.

Wer aus solchem Holz geschnitzt ist, der war nach Walters Geschmack. Es gab einfach zu viele Warmduscher hier unten. Typen die mit Hightechgerät aufliefen und dann bei der ersten Wertungsprüfung die Strecke zuparkten. Diese Experten wurden dann auch gnadenlos aussorti2ert und ins Hotel zurückgeschickt.

Spätestens beim zweiten technischen Halt.
„ Du hältst die ganze Gruppe auf, wir haben noch ein strammes Programm. Hier hast du eine Karte. Der Weg zum Hotel ist eingezeichnet!“

Da haben schon einige Möchtegernracer blöd geguckt.
Da macht der Walter keine Gefangenen.
Die derart auf den Boden der traurigen Realität gezwungenen Hobbypiloten, dürfen dann immerhin noch in der Reservegruppe mitfahren.
Gebucht ist gebucht, und Mobbing ist nicht. Da war Simone vor.
Und schon ist es wieder die Frau, die besser rechnen kann.

Rolf hätte sogar mit seiner E-Glide mitfahren dürfen. Dafür war seine letztjährige Performance einfach zu überzeugend.
Ich bin auch schon mal eine längere Strecke mit dessen Eimer gefahren. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man mit dieser Schiffschaukel derart über die Pässe pfeifen kann. Bergauf ist Drehmoment durch nichts zu ersetzen. Das mag als Erklärung noch halbwegs einleuchten. Aber wenn es dann wieder runter geht … da fällt mir nichts mehr ein. Rolf wundert sich immer über meine Ratlosigkeit.
Motorbremse … kommt dann meistens.

Franky könnte sicherlich auch noch einiges zur Erläuterung dieses Phänomens beitragen. Mit großer Wahrscheinlichkeit könnte der dann auch die entsprechenden Überreste der beteiligten Hardwarekomponenten präsentieren.
Aber das ist alles überhaupt nicht relevant … denn Rolf hatte jetzt eine GS.
Der Ur-Ur-Enkel von Hannibal, reitet nun die Königin der Alpen.
Wenn das mal gut geht!

Wir hatten Walter diese Tatsache bisher verschwiegen. Wahrscheinlich wäre es ihm momentan auch egal gewesen. An diesen Wechseltagen gab es immer reichlich Arbeit für die Hotelbetreiber.
Der große Thekenraum, in dem auch das Abendessen serviert wurde, war gut gefüllt. Genauso gut wie der Vorplatz, denn zu jedem Motorrad gehört üblicherweise auch ein Fahrer. Diesmal war scheinbar auch noch eine große Anzahl von Sozias mitgekommen. Es war jedenfalls kaum vorstellbar, dass die Mehrzahl der anwesenden Damen selbst Hand anlegen würde.
An den Moppeds natürlich. Woran die sonst noch ihre Hände legen könnten, wollten wir gar nicht so genau wissen.
„ Da sind wir aber auch keinen Moment zu früh gekommen“, bewertete ich relativ enttäuscht, vielleicht auch ein bisschen ungerecht, das Angebot.
„Der Lack ist ab Junge, … guck mal in den Spiegel!“, holte mich Rolf wieder auf den Boden zurück. Ernüchtert bestellte ich erst mal zwei große Biere, obwohl die bewährte Technik des Schöntrinkens hier, so oder so, keinerlei Erfolg versprach.
Da muss man realistisch bleiben.

Freundlich aber desinteressiert lächelnd, ertrugen wir die gespielten Vorstöße einiger angeheiterter Seniorsozias. Die am weitesten fortgeschrittenen Exemplare vollführten kreischend bauchtanzähnliche Bewegungen. Die wahrscheinlich verantwortlichen und bedauernswerten Besitzer, drehten ihren außer Rand und Band geratenen Beifahrerrinnen solidarisch den Rücken zu.

„ Morgen kommen bestimmt ein paar heiße Solofahrerrinnen“, versuchte Rolf mich aufzumuntern.
„Na klar, ganz bestimmt. Simone hat am Telefon was von einem Cheerleaderkongress erzählt.“ Ich bemühte mich ernsthaft, ein hoffnungsfrohes und erwartungsvolles Gesicht aufzusetzen.
Rolf stutzte und sah mich überrascht an.
Einundzwanzig ..zweiundzwanzig ..dreiund … soooo lange brauchte er sonst nie.
Naja, immerhin waren wir schon den ganzen Tag unterwegs.

„Ich hole noch zwei Bier..!“, kommentierte er meinen blöden Konter.
Inzwischen hatte uns Simone entdeckt. Professionell, aber trotzdem herzlich, begrüßte sie uns und übergab uns bei dieser Gelegenheit auch sofort unseren Zimmerschlüssel.
Angesichts der guten Auslastung waren wir froh überhaupt schon ein Zimmer bekommen zu haben. Auch wenn es ein Doppelzimmer war.
Aber mit Rolf hätte ich mir auch ein Einzelzimmer geteilt. Da haben wir schon ganz andere Übernachtungen kameradschaftlich überstanden.
Aber darüber möchte ich mich hier nicht auslassen.

Wir schleppten unser Gepäck in die zweite Etage und entschieden uns dann spontan, der weiter unten tobenden Hausfrauenorgie fernzubleiben.
Auch wenn der Originallack ab ist, kann man trotzdem noch mal drüberstreichen.
Diese Erkenntnis schien auch die Mehrheit der Damen da unten ereilt zu haben.
Manche mussten, deutlich erkennbar, sogar mehrmals drüberstreichen.

Das Bad war perfekt beleuchtet. Der große Spiegel bewies unzweifelhaft, dass Rolf mit seiner These ziemlich nah an der Wirklichkeit war.
„Männer werden nicht älter, nur interessanter…!“ Rolf schob mich ein wenig zur Seite um seine Schminkutensilien auf dem Waschbeckenrand aufzureihen.
„Hast du eine Avonberaterin gevögelt, oder was …?“, fragte ich völlig perplex.
Ich erfuhr dann zu meiner Überraschung, dass wohl tatsächlich vor einigen Wochen so eine Art Tupperparty bei ihm zuhause stattgefunden hatte.
Die wohl überaus attraktive Propagandistin hatte den anwesenden Damen nur sehr wenig aus ihrem großen Produktangebot andrehen können.
Sie hatte allerdings auch einige Produkte für den gepflegten Mittvierziger im Köfferchen. Die verteilte Rolf gerade auf dem Waschbecken.
Er zeigte mir auch die Visitenkarte der Verkäuferin.
„ Eine Ungarin, geschieden und ein Kind…!“.
„Und…?“, fragte ich ahnungsvoll. „Naja…“, kam die erschöpfende Antwort.

Damit war dieses Thema auch durch und wir zappten uns noch ein wenig durch die Fernsehprogramme. Wir waren plötzlich doch ziemlich kaputt. Vor einigen Jahren hätten wir uns lediglich eine frische Unterhose angezogen und wären ins nächste Dorf gedüst.
Irgendwas geht immer.

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:26
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Tag 1

...Wie immer im Urlaub brauchte ich keinen Wecker. Rolf braucht unter normalen Umständen auch keinen, weder im Urlaub noch in der restlichen Zeit des Jahres. Er war einer dieser Leute, die fast immer früh aufstehen.
Meine fest eingebaute innere Uhr zwingt meinem Biorhythmus einen anderen Tagesablauf auf. Das sind die Gene. Da kann man nichts machen.

Rolf rumorte im Bad herum. Erst rauschte die Dusche stundenlang, dann brummte ein Fön, nun klapperte er mit irgendwelchen Flaschen und Dosen herum.
„Der Schminkspiegel hängt links am Waschbecken“, schrie ich durch das Zimmer. „Wenn du dir auch noch die Augenbrauen zupfen willst, dann gibt’s gleich keine Brötchen mehr!“
Ist doch wahr, der brauchte ja länger als meine Ex-Frau.
„Ich muss mich doch schön machen. Ist doch alles nur für dich, Süßer“.
„Spar dir die Mühe. Du bist nicht mein Typ. Außerdem würde ich niemals was mit einem Harleyfahrer anfangen. Die sind doch alle impotent“, näselte ich in einem Tonfall, der dem von Dirk Bach ähneln sollte.
„Nicht alle …!“, erwiderte Rolf mit gespielter Empörung und näherte sich in eindeutiger Pose.
„Hau bloß ab, du Schminkschwuchtel. Ich hab schon einen Freund“.
Ich schubste ihn zur Seite und hielt mir die Hände vor die gefährdeten Bereiche, als ich mich ins Bad drängelte.
„Harleyschwuchtel..!“, stöhnte ich ihn empört an und schloss schnell die Tür.

Nur gut, dass niemand diese Parodie mitbekam.
Wir hatten so etwas Ähnliches früher schon einmal in einer Kölner Schwulenkneipe aufgeführt. Nur noch viel exzessiver und extremer. Die Mädels in dem Schuppen sind aber nicht darauf hereingefallen. Am Outfit kann es nicht gelegen haben. Vielleicht hat es aber auch nur deshalb nicht geklappt, weil gerade Karneval war.
Da brauchen wir uns jedenfalls nicht mehr sehen zu lassen. Die sind doch ziemlich empfindlich, diese Ledertunten.

Es gab noch Brötchen im Frühstücksraum. Die neuen Biker-Week Veteranen und ihre verkaterten Frauen hockten ruhig und gesittet auf ihren Plätzen.
Der Tag danach, eben.
Wir versteckten uns in einer Ecke.
„Auch das ungeschminkte Gesicht kann schön sein“, zitierte Rolf einen bekannten Werbespruch.
„Muss aber nicht..!“, ergänzte ich den Slogan.

Das Wetter war nicht allzu berauschend. Bewölkt und noch ein wenig feucht vom Regen der vergangenen Nacht.
Unser Plan für diesen, noch jungen Tag, stand fest. Rolf musste an die Fahreigenschaften einer 12er GS adaptiert werden.
Wir würden zunächst ein wenig über die Dörfer rollen und danach eine etwas härtere Gangart einschlagen.
Das Hahntennjoch ist als Anfängerteststrecke nun wirklich nicht geeignet. Wirklich nicht! Aber, wer nicht wagt … der lernt es nie.
Mit jedem Anderen hätte ich deutlich vorsichtiger begonnen. Aber Rolf war ein Naturtalent. Der hatte einige Fähigkeiten schon eingebaut, die viele andere Leute erst mühsam lernen müssen.
Danach ein wenig High-Speed-Training im Tal der „tieffliegenden Japaner“ wie die inoffizielle Teststrecke des Bikerhotels von den Einheimischen genannt wird.
Die härteste Kurve mit eingebautem Parkplatz heißt „Pearl Harbour“. Eigentlich historisch unrichtig. Denn die berüchtigten Kamikaze sind bei diesem Angriff noch nicht zum Einsatz gekommen.
Diese Strecke war bis vor Kurzem noch ein echter Insidertipp. Mittlerweile hat es sich bis Bayern herumgesprochen, dass hier Tiefflug geübt werden kann.
Die Rennleitung konzentriert ihre Lasergeschütze fast nur am Wochenende in diesem Bereich. Da klingelt dann die Kasse umso heller.
Unter der Woche sind die Spaßverderber hier selten im Einsatz. Da werden wir dann ab Montag schon mal das ein oder andere Mal die Kühe fliegen lassen.
Im Tal der Japaner.
Learning by doing. Das war immer meine Devise. Rolf ist eben auch mehr der Praktiker, aber das hatte ich ja schon erwähnt.
Also, rauf auf die Kuh und ab auf die Straße.

Zunächst mussten wir aber unseren mobilen Kuhstall in eine andere Parkposition manövrieren. Inzwischen war auch wieder Platz auf dem Hof.
Wir winkten den zahlreich davon rollenden Silberhochzeitlern noch eifrig zu, wenn sie dann endlich und wichtig hupend den Platz räumten.
Unsere Stimmung besserte sich zusehend, genau wie das Wetter.
Pflichtgemäß erläuterte ich dem nun konzentriert lauschenden Harleytreiber die Feinheiten der elektrisch verstärkten Kombibremse seiner GS.
Der war ja nun wirklich nicht verwöhnt, was die Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme angeht.
Auch die Abwesenheit von Schaltwippe und Trittbrettern, vergaß ich nicht zu erwähnen.
Dem guten Rolf wurde langsam immer klarer, dass er nun mittelalterliche Mechanik gegen moderne Technik getauscht hatte.
Fingerspitzengefühl war nun gefragt. Nicht mehr die Drosselklappen dieser komischen Steinzeitvergaser mit voller Armkraft aufreißen und auch nicht mehr mit dem ganzen Körpergewicht auf den Bremshebel stellen.
Nun alles mit Gefühl … mit viel Fingerspitzengefühl.
Wird schon!

...Rolf hatte sich seine Original-Harley-Bikerjacke angezogen. Dazu trug er wie immer, eine Lederjeans und kurze Bikerstiefel. Auf meinen dringlichen Rat hin hatte er sich auch einen Vollvisierhelm zugelegt. Diesen albernen Police-Helm mit Sonnenschirm, den er sonst immer auf der E-Glide trug, hatte er zu Hause gelassen.
Nun sah er wenigstens halbwegs wie ein richtiger Motorradfahrer aus.
Wir fuhren schon lange genug miteinander und konnten deshalb auf Zeichenabsprachen verzichten.
Gemütlich und in gelassener Urlaubsstimmung rollten wir vom Hof.
Schön warmfahren, sowohl die Technik als auch die Bediener. Am ersten Tag brauche ich auch immer ziemlich lange, bevor ich halbwegs das Alpenprogramm abrufen kann. Halbwegs, denn so richtig in den entsprechenden Modus komme ich erst nach 1-2 Tagen.
Da muss man sich einfach zusammenreißen. Die Ausfallrate hier ist immer am ersten und am letzten Tag relativ hoch.
Wenn man mehrfach live erlebt hat, wie manche Alpennovizen ihr Gerät wegwerfen, dann lässt man es besser ruhig angehen und auch ausklingen.
Das gehört eindeutig in das Kapitel … Erfahrung.

Auf den schönen Landstraßen in Tirol herrschte an diesem Samstagmorgen nur der übliche Verkehr. Das Wetter würde aber spätestens ab Mittag, zahllose Zweiräder in diese Gegend locken. Die zogen in Schwärmen hier durch. Viele auf dem Weg zu den oberitalienischen Seen oder in die Dolomiten. Andere wiederum, um hier auf den Pässen und sonstigen Strecken ihrer Sucht zu frönen.
Genau wie wir auch.

Motorradwetter in Tirol. Das Leben kann schön sein, aber auch ziemlich kurz.
Alles eine Frage der Disziplin.
Die entsprechende Logistik stand bereit. Die Rettungshubschrauber waren aufgetankt und die Jungs in den Abschlepp-und Krankenwagen frühstückten startklar in ihren Fahrzeugen. Das übliche Saisongeschäft hier unten. Im Winter die Skifahrer und im Sommer die Moppeds.
Business as usual. Dienstleistung wird groß geschrieben, hier in Tirol.
Mit dem Wissen um diese Gastfreundlichkeit und Fürsorge im Hinterkopf kann man es dann doch wesentlich beruhigter angehen. Mir gefällt es hier trotzdem.

Keine Palmen, kein Meer und auch kein Sand, aber auch keine Teppich-und Schmuckdealer. Dafür aber Berge, Seen und Unfallchirurgen.
So hat jeder Urlaubsort seine Vor-und Nachteile. Alles Geschmacksache!

Sowohl das Motoröl als auch die Fahrer waren inzwischen gut warm. Ich wedelte beschaulich und mit mäßiger Drehzahl über die kurvige Landstraße.
Rolf turnte hinter mir auf seinem ungewohnten Fahrzeug herum.
Der vermisste inzwischen sicherlich sein Ledersofa.
Der rote Schnabel seines Geburtstagsgeschenks senkte sich immer wieder ruckartig nach unten, um dann wieder genau so ruckartig nach oben zu zucken. Rolf übte wohl gerade Bullenreiten. Danach kam dann Slalomfahren.
Wenn er dann irgendwann die GS genau so gut beherrschen sollte wie seine geliebte Harley, dann würden wir alle ziemlich alt aussehen.
Aber da war ich eher skeptisch. Das wird dauern. Sein Fahrstil war völlig versaut. Wer auf einer E-Glide das Motorradfahren erlernt hat, dessen Programm muss erstmal komplett gelöscht und dann muss der Reflexapparat neu gebootet werden.
Da wird eine Woche nicht ausreichen, auch wenn es die Alpen-Express-Woche ist. Aber erst mal abwarten und keine voreiligen Prognosen riskieren.
Da werde ich ihm erst mal den kalten Schweiß auf die Stirn zaubern. Wir kamen nämlich gerade auf die Startbahn zum Hahntennjoch. Unten lauerten schon die ersten Reiskocherpiloten auf eine geeignete Verkehrslücke.
Wenn einem nämlich schon in den ersten Steilkurven, ein SUV die Ideallinie zuparkt, dann versaut einem das den ganzen Trip. Timing ist hier alles.

Ich hatte vorsorglich den Power-db-Eater aus meinem Zach entfernt. Wer mich nicht sehen kann, der soll mich wenigstens hören. Mehr kann man nicht tun, für die Verkehrssicherheit. Und wer nicht hören kann, muss fühlen.
Ich schwenkte auf die unsichtbare Startlinie ein und gab dem hinter mir herwackelnden Rolf klare taktische Zeichen.
Nu aber … Briketts in den Ofen!

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:27
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Wir waren ja in einer Einführungsrunde. Der Zach teilte Rolf genau mit, wann der nächste Zahnring angefordert werden musste. Bis zur ersten Kurve braucht man nur die ersten drei Gänge. Wenn man alles rausholt, kommt im Zweiten ganz locker das Vorderrad ein Stückchen hoch. Aber wirklich nur ein Stückchen.
Geht nämlich ordentlich bergauf hier. Rolf war wohl derartige Reaktionen von seiner E-Glide nicht gewohnt. Obwohl es Leute geben soll, die selbst mit diesem Trümmer ein Wheelie hinbekommen.
Rolfs Wheelie muss die beiden uns frech folgenden Reiskocherpiloten schwer beeindruckt haben. Die blieben jedenfalls vorsichtshalber erstmal hinter der roten GS.
Die konnten ja nicht ahnen, dass sie es hier mit einem zwar unblutigen, aber trotzdem erschrockenen Anfänger zu tun hatten.
Ich nahm ein wenig Fahrt raus um Rolf aufrücken zu lassen.
Nach der nächsten Kurve hatten die beiden Freunde ostasiatischer Motorentechnik ihren falschen Respekt verloren und zogen kreischend vorbei.
Ist doch egal, wir lassen es heute gemütlich angehen.
Meine Gelbe wollte hinterher, wie ein Hund, wenn er Kaninchen davon rennen sieht.
Da kann man doch mal sehen, wie viel Eigenleben so ein Motorrad entwickeln kann.
Ruhig Gelbe …ruhig.

Mit Halbgas fuhr ich dann locker das Hahntennjoch hoch. Oben steht nun neuerdings eine Kaffeebude auf Rädern. Rolf schwächelte ein wenig beim Aufstieg, aber das war ja auch der Sinn der Sache. Nur Übung macht den Meister.
Der halb volle Pappbecher kostet 3 Euro. Wir nahmen direkt zwei.
Im Urlaub sitzt die Kohle eben locker. Aber man wird ja nicht gezwungen.

Der Abstieg ist durchaus geeignet um ein Bremssystem, auch das einer GS, ordentlich zu fordern. Meine Empfehlung an Rolf lautete: Alles nur mit dem rechten Handhebel. Ohne rechten Fuß. Schön langsam in die Kurven und dann rollen lassen. So kommt man stressfrei wieder unten an.
Der Bursche muss doch noch Vertrauen in sein Gerät entwickeln.
Wir machten uns dann auf den Weg zum High-Speed-Training. Auf halber Strecke fing es an zu regnen. Nur wenig zwar, aber immerhin.
Da wir keine Regenreifen dabei hatten, traf ich die gesundheits-und materialschonende Entscheidung, das heutige Training zu verschieben.
Macht ja wirklich wenig Sinn, am ersten Tag schon die ortsansässigen medizinischen Dienstleister zu sponsern.
Wir warteten irgendwo an einem regengeschützten Platz auf das Ende der Naturdusche. Diese Harleyjacken sind eben nicht so richtig wasserdicht.
Wer schön sein will … darf eben nur im Trockenen fahren.
It never rains in Southern-California. Die textile Entsprechung des amerikanischen Traums. So what …!

Da es nicht so aussah, als ob es an diesem Tag noch viel trockener werden würde, fuhren wir gemütlich zurück zum Hotel. Vielleicht waren ja inzwischen Charly und Dietmar aufgeschlagen.
Damit wäre dann das „Quartett infernale“ vollzählig.

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:27
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Immer noch Tag 1

...Als wir dann wieder auf den Vorplatz rollten hatte sich Zahl der dort geparkten Motorräder schon deutlich reduziert. Es standen vielleicht gerade noch ein halbes Dutzend völlig unterschiedlicher Exemplare dort herum. Aber die rote und die gelbe 1150 GS von Charly und Dietmar waren nicht dabei.
Dafür trafen wir aber auf Walter der sich gerade von zwei Gestalten auf einem bepackten Chopper verabschiedete.
Man and Woman in black. Schwarze Intruder mit Lederfransen an den Griffen und natürlich, lederne Satteltaschen mit silbernen Nieten. Die rote Gepäckrolle senkrecht an der Sissybar verzurrt.
Sehen … aber vor allem …gesehen werden. Der Plan ging auf.
Heiser brummelnd und gut sichtbar, chopperten die beiden Lederfreaks davon. Wir winkten ihnen freundlich hinterher.
Die hatten es sicher auch nicht leicht.

Walter freute sich jedenfalls uns zu sehen. Da er wohl seine Verabschiedungspflichten für diesen Tag im Wesentlichen erfüllt zu haben schien, durfte er nun zum Begrüßungsprogramm übergehen.
So ein Bikerhotelier hat eben seine Verpflichtungen.
„ Wo sind denn eure beiden Freunde?“, fragte er, eher neugierig als professionell. Wir hatten ihm nämlich die Beiden mehr oder weniger aufgeschwatzt.
Eher widerwillig hatte Walter am Telefon eingewilligt, die beiden ihm unbekannten Teilnehmer zu akzeptieren. Aber wir waren ausdrücklich in die Pflicht genommen worden. Als Bürgen gewissermaßen.
Ich machte mir da keine Sorgen, wenn es nur um die Touren ging. Wenn man Charly und Dietmar so auf ihren jeweils zwei Beinen sah, konnten einem da durchaus Zweifel kommen. Aber wer einmal mit diesen Chaoten auf ihren jeweils zwei Rädern unterwegs war, der hatte diesbezüglich keine Fragen mehr.
Der Ausdruck-“völlig schmerzfrei“- trifft allerdings nicht nur auf ihren Fahrstil zu.
Was diese anderen Dinge anging, machte ich mir dann doch schon mehr Sorgen, so als Bürge.

Wir zeigten dem erstaunten Walter dann Rolfs neue GS.
„Hast du es endlich kapiert?“, freute sich Walter. Dass der Lernprozess noch nicht ganz abgeschlossen war, und das gute Stück nicht in Rolfs Garage landen würde überraschte ihn dann aber doch. Aber zumindest der gute Wille war für ihn erkennbar.

Am Rande des Vorplatzes direkt neben dem Eingang stehen immer einige von diesen Holztischen und Klappstühlen.
Diese schweren Metallklappstühle mit Holzbrettern auf der Sitzfläche und an den Rückenlehnen. Wetterfest , robust und zweckmäßig.
Da hocken immer eine Menge Leute herum.
Das ist ein guter Platz. Da hat man den gesamten Vorplatz im Blickfeld samt aller Moppeds. Jeder der kommt und geht muss dort vorbei und die Straße kann man auch noch beobachten.
Ein weiterer und nicht hoch genug zu bewertender Vorteil ist, dass eine kontinuierliche Getränkeversorgung durch regelmäßig erscheinende Kellnerinnen gewährleistet wird.
Wenn dann auch noch die Sonne scheint, gibt es nur wenige Plätze in Tirol an denen man besser abhängen kann. Alpenpanorama inklusive.
Walter, Rolf und ich hängten uns dann schon mal ein wenig ab.
So früh am Tag war Kaffee deutlich angebrachter als geistige Getränke.
Erst mal ankommen. Und überhaupt … kein Bier vor vier!

So nach und nach trudelten dann immer mehr Alpen-Express-Teilnehmer ein. Einige mit Hänger, einige auf eigenen Reifen.
Wir hatten uns die Jacken ausgezogen und die Füße auf den Holzstühlen hochgelegt. Ein weiterer Vorteil des rustikalen Mobiliars.
Die Sonne schien inzwischen wieder häufiger durch die Wolken und die asphaltierten Flächen trockneten vor sich hin.
Walter begrüßte alle die nicht wegliefen und Rolf setzte sich seine coole Harley-Sonnenbrille auf.
So langsam waren wir angekommen.

Aber nicht nur wir. Ein lautes Geräusch riss mich aus meinen leichten Urlaubsschlummer und zwang mich die Augen zu öffnen.
Hupend schoss eine gelbe GS auf uns zu, mit blockierendem Hinterrad kam das Gefährt knapp vor meinem Fußstuhl zum stehen.
Eine zweite, rote 1150er, bog gerade auf den Platz ein. Deren Fahrer hockte auf seinem Gefährt, wie ein Rübenbauer aus der Eifel auf seinem Traktor.
Charly und Dietmar waren da.

„Kamelle …dä Prinz kütt!“ Dietmar hatte sein Visier hochgeklappt und krakelte fröhlich herum.
Ich erinnerte mich daran, dass ich nun irgendwie für die beiden verantwortlich sein soll. Irgendwie.
Ich wollte nicht der Bürge für Dietmar und Charly sein. Den Job will keiner. Nicht wirklich…!

Charly drehte in aller Ruhe Kreise auf dem Vorplatz. Wie ein batteriegetriebenes Spielzeugauto.
„Hast du die Fernbedienung für den Irren … der hat scheinbar die Orientierung verloren.“ Rolf war aufgestanden um Dietmar zu begrüßen.
„ Oder sein Navi hat einen Kurzschluss“, vermutete ich.

Dietmar ließ seinen Boxer mehrmals aufbrüllen und rollte winkend auf den scheinbar planlosen kreisenden Charly zu. Die beiden stellten dann aber doch ihre Geräte schön ordentlich zu den anderen Moppeds.
Inzwischen war auch Walter auf die Neuankömmlinge aufmerksam geworden. Er kam an unseren Tisch und sah uns fragend an. Ich zuckte mit den Schultern.
Erstaunt beobachtete der überraschte Hotelboss wie Charly scheinbar mit letzter Kraft von seinem Fahrzeug kletterte und dann mit schlurfendem Gang auf uns zukam.
Dietmar hingegen, stülpte seinen Helm über einen Spiegel und näherte sich mit einstudierten Tanzschritten. Wie Michael Jackson nach einem Schlaganfall.
Und ich war der Bürge. Was für ein Scheißjob…!

Dietmar und Charly, stellte ich die beiden dem Boss vor. Charly riss sich den völlig verhunzten Helm vom Kopf und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Sein grauweißer Bart und die wirklich sehr hohe Stirn ließen ihn ziemlich alt aussehen.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit Saddam Hussein kurz nachdem er aus dem berühmten Erdloch gezerrt wurde.
Charly ergriff mit seiner Pranke die Hand des sprachlosen Walter und schüttelte sie wortlos. Dietmar klopfte Walter nur auf die Schulter und blickte sich suchend um.
„ Ham die kein Kölsch hier, die Schluchtensch…..?“, genau dosiert bremste sich Dietmar selbst ein. Alles Masche! Dietmar weiß immer ganz genau, wie weit er gehen kann.
Die beiden Chaoten sind ein eingespieltes Team. Genau wie Rolf und ich. Wehe dem, der die beiden unterschätzt!
Wir kannten die Spielchen schon. Der Rest der Hotelgäste würde sie noch kennenlernen.
Walter schien erstmal ratlos zu sein.
Charly knallte seinen Helm auf den Tisch und ließ sich leise stöhnend auf einen Stuhl fallen. Er angelte sich mit den Füßen einen Stuhl und knallte seine schweren Endurostiefel darauf. Ein Bein über das andere. Er hielt sich die flache Hand über die Augen und blinzelte in die Sonne. Er drehte langsam den Kopf und sah mich an. Die Hand über den Augen wie ein spähender Indianer.
„ Scheiß lange Fahrt…“, grunzte er.
„Gibt’s hier nichts zu trinken...?“, flüsterte mir Dietmar zu.

Rolf pfiff schrill auf den Fingern als er die Kellnerin erspähte.
Ich zuckte überrascht zusammen.
Impertinenz ist wohl ansteckend. Zwei Prolldarsteller waren eigentlich genug.
Ein ordentlich gekämmter Bikerkollege am Nachbartisch wandte sich ab. Seine Begleiterin warf einen vorwurfsvollen Blick zu unserem Tisch.
„ Ist das dein Bruder?“, rief ihr Dietmar zu. Der Gekämmte tat so, als ob er nichts gehört hätte.
„Man kann doch mal fragen!“. Dietmar blickte unschuldig und Verständnis heischend umher. Die beiden vom Nachbartisch erhoben sich und bewegten sich in Richtung Eingang.
„Bevor du sie fragst, ja … Inzucht ist auch in Österreich verboten“, ich kannte den Gag schon und versuchte ein wenig Fahrt raus zu nehmen. Immerhin war ich irgendwie verantwortlich.
Dietmar grinste nur. Aber er hielt die Klappe.
Die Kellnerin erschien und stellte vier große Biere auf den Tisch.
Mittlerweile war es ja auch deutlich nach vier.
Na denn, der Abend ist noch lang.

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...So ganz allmählich füllte sich der Platz vor dem Hotel. Aus bester Lage konnten wir die Ankömmlinge beobachten. Es waren doch schon einige optische und akustische Leckerbissen dabei.
Aber leider nur, was die Moppeds anging.
Der Reisebus mit den Cheerleadern blieb erwartungsgemäß aus. Etwaige Alternativen hatten wir leider bis dahin auch keine entdecken können.
Man kann eben nicht alles haben. Da werden wir uns eben mit Bordmitteln behelfen müssen. Wird schon irgendwie gehen.

Üblicherweise kann ab etwa 19.00 Uhr das mehrgängige Abendmenü eingenommen werden. Das hört sich mondäner an, als es dann tatsächlich ist, aber immerhin gibt es immer eine Suppe vorher.
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.
Wobei man das meiner Meinung nach aufteilen muss. Trinken scheint mehr was für die Seele zu sein. Und dem Zusammenhalt ist das auch nicht immer unbedingt dienlich. Auch hier bin ich eher ein Anhänger des dualistischen Weltbildes.
Derlei Erkenntnisse kann man meinen drei Kumpanen eher weniger gut vermitteln. Aber das sind ja auch mehr praktisch veranlagte Zeitgenossen.

Am ersten offiziellen Tag hat dann traditionsgemäß immer Walter seinen großen Auftritt. Er ist nicht nur der offizielle Boss hier, sondern er lässt sich auch gerne so anreden.
Die Musikexperten ahnen vielleicht schon, welchen Interpreten unser Walter bevorzugt.
Walter zelebriert am ersten Abend immer die Begrüßungsshow. Mit Beamer und Musikuntermalung. Auf seinem Laptop läuft dann immer … die große Alpen-Pässe-Show.
Das Stilfserjoch aus der Vogelperspektive … und andere imponierende und für einige Anfänger auch erschreckende Impressionen. Walter hatte nur diese eine Show gespeichert, die wird dann auch immer bei der normalen Biker-Week aufgeführt. Die Leute hier hatten schon fast alle das Stilfserjoch bezwungen und waren deshalb deutlich gefasster.
Ich hatte auch schon mehrfach das Vergnügen und deshalb konnte ich mich an diesem Abend darauf konzentrieren, die Reaktionen der Mitstreiter zu beobachten.
Walter neigt zu eher dramatischen Auftritten. Während dann eben „Born in the U.S.A“ dudelt oder die „Streets of Philadelphia“ besungen werden, blendet sein Powerpoint-Programm abwechselnd zertrümmerte Bikes oder strahlende Etappensieger ein.
Die jeweils aktuellsten Pechvögel und ihre frustrierenden Erfahrungen werden dann jedes Mal mit mahnenden Worten beschrieben.
Erfahrungsgemäß haben diese laienhaften pädagogischen Versuche die durchschnittliche Ausfallrate bisher nicht signifikant absenken können.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass am Ende der Lektion, immer wieder eher kontraproduktive Geschichten dargeboten werden.

Da kann er sich auch noch so anstrengen, der Walter. Niemand kann gegen seine innerste Überzeugung glaubwürdig anpredigen.
Hier hat sich der Bock selbst zum Gärtner gemacht. Und die Hörner hat er sich immer noch nicht abgestoßen.
Der Walter und speziell seine Guides, sind definitiv die übelsten Heizer nördlich des Äquators. Zumindest was den Bereich der „geführten Alpentouren“ angeht. Das ist aber nur meine unmaßgebliche Meinung und
die würde ich auch niemals laut äußern.
Aber auch dies kann durchaus ein Alleinstellungsmerkmal sein und deshalb ein erfolgreiches Geschäftsmodell ermöglichen.
Der ungebrochene Andrang scheint dieses Konzept jedenfalls zu bestätigen.
Das sind so meine beruflich beeinflussten Überlegungen, wenn ich mal in Ruhe über die ganze Geschichte nachdenke.

Aber ich war ja im Urlaub. Gemeinsam mit meinen drei Bikerfreunden. Und da sollte es üblicherweise weniger um Marketingkonzepte als vielmehr um Freude am Fahren gehen.
Es gab natürlich Fragen am Ende der Präsentation.
Es gibt immer Fragen nach den Präsentationen.
Manche behaupten zwar immer, es gäbe angeblich keine dummen Fragen.
Aber das kann ich so nicht stehen lassen.
Wer da anderer Meinung sein sollte, der kann ja mal an einer Fragerunde im Bikerhotel teilnehmen.
Zum guten Schluss werden dann immer alte Zöpfe abgeschnitten.

Versetztes Fahren … gilt hier als gefährlicher Unfug.

Überholverbot in der Gruppe … nur der Guide darf nicht überholt werden.

Auf bestimmten Strecken ist aber auch das nicht in Stein gemeißelt, da ist der Versuch zumindest nicht strafbar. Soll aber auch gelegentlich schon einmal erfolgreich gewesen sein. Aber eher selten.

Die meisten Teilnehmer gähnten nur, bei besonders naiven Fragen.
Diese neugierigen Neulinge hatten anscheinend noch nicht so richtig verstanden, wo sie hier hingeraten waren.
Aber die würden bei der nun folgenden Kellerbar-Eröffnungsrunde schon noch aufgeklärt werden.

Die hoteleigene Kellerbar ist eine mehr oder weniger geschmackvoll eingerichtete Mischung aus Skihütte und Technodisco.
Man wollte wohl alle Geschmacksrichtungen gleichzeitig bedienen. Dies ist auch, allerdings eher in negativer Hinsicht, hervorragend gelungen. Es gibt mit Sicherheit niemanden, der diese Höhle wirklich ansprechend findet. Egal wie abartig auch immer der jeweilige Geschmack denn gepolt sein mag.
Aber völlig egal, hier spielt die Musik. Und dies sogar ziemlich laut.
Die bevorzugte Musikrichtung scheint in die siebziger Jahre zu deuten.
Was ja nun nicht unbedingt schlimm ist. Angesichts der Einrichtung hätte man auch deutlich Schlimmeres erwarten können. DJ-Ötzi zum Beispiel.

Dietmar jedenfalls konnte alle Titel mitsingen. Der hatte früher auch immer den Hobby-DJ gemacht. Früher in den Siebzigern oder Achtzigern.
Falls aber jemand nun doch auch mal den DJ-Ötzi verlangen würde. Ich bin mir ganz sicher, auch hier könnte Dietmar fehlerfrei jeden Titel mitsingen.
Er ist eben eine echte Stimmungskanone, unser Dietmar.

Unsere Tourguides waren nicht anwesend. Thomas hatte die Vermutung geäußert, dass die Burschen am Wochenende immer ihre Bewährungsauflagen einhalten müssten. Reine Wochenendhaft, so etwas soll es in Österreich wohl geben.
Einige der neueren Teilnehmer machten nachdenkliche Gesichter. Es kursierten ziemlich viele Gerüchte über unsere motorisierten Pfadfinder.
Dieses passte da gut ins Bild.

Thomas war ein vierschrötiger Typ aus dem Ruhrgebiet. Die Rheinländer und da speziell die Kölner und die echten Ruhrpöttler verbrüdern sich immer sofort. Aber nur wenn auch genügend andere Nationalitäten vertreten sind. Berliner, Bayern, Schwaben oder Österreicher zum Beispiel.

Unser Humor ist ziemlich ähnlich. Das verbindet ungemein. Diese, beiden Stämmen angeborene antiautoritäre Grundhaltung, schafft Gemeinsamkeit.
Die sorgte dann auch für einen leicht über dem Durchschnitt liegenden Bierkonsum. Wir verfuhren nach dem alten Grundsatz: Der Letzte der rausgeht ist ein Kölner. Und der Letzte, der rausgetragen wird … einer aus dem Ruhrpott.
Es war jedenfalls schon wieder ziemlich früh.

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Tag 2

...Lautes Poltern riss mich aus meinem Koma.
Ich sah auf die Uhr …08.30… mitten in der Nacht. Dietmar randalierte vor der Tür herum. Rolf torkelte bereits nicht nur schlaftrunken, in Richtung des Bades und krächzte laut: „Ja, ja … ist ja gut, wir kommen gleich!“
Das war wieder typisch. Dietmar hatte eine wirklich gut trainierte Leber. Rolf hingegen musste eine Blase haben wie ein Elefant. Es hörte einfach nicht auf, dieses Plätschern. Dummerweise wirkt das äußerst ansteckend.
Ich taumelte leicht, nachdem ich mich vorsichtig erhoben hatte. Im Bad versuchte ich den Spiegel zu ignorieren und Rolf hätte ich das auch dringend empfohlen.
Aber zu spät … der starrte bereits teilnahmslos und halbwegs ernüchtert der traurigen Wahrheit ins Gesicht.
„Wie hieß das Zeug..?“, krächzte er.
“ Alpenwurz...oder so ähnlich!“ Ich erinnerte mich nur noch diffus an den handgeschriebenen Aufkleber an der Flasche.
„Hölle … das reißt einem ja die Beine weg, das Zeug!“ Rolf nahm einen großen Schluck Mundwasser und röchelte damit herum, wie früher Theresa Orlowski in ihrer größten Rolle. Die verwendete aber kein Mundwasser, wenn ich mich richtig erinnere.
Bevor mir nun doch noch schlecht wurde, verlies ich fluchtartig wieder das Bad, sobald es mir möglich war. Das alte Doppelzimmerproblem.

Im Frühstücksraum trafen wir auf die anderen Überlebenden. Dietmar wirkte zwar etwas zerknittert, war aber schon wieder bester Laune.
Charly saß am Tisch und starrte schweigend in die Gegend. Er trug bereits wieder oder noch immer, seine alte dicke Tourenlederhose mit roten Hosenträgern und seine Endurostiefel.
Charly war da konservativ. Entweder diese Stiefel oder Badelatschen. Anderes Schuhwerk besaß er scheinbar nicht.
Bei mehreren Motorradtouren, an denen wir bisher gemeinsam mit Charly teilgenommen hatten, war es das gleiche Spiel.
Wer die Klamotten wechselte, war ein Poser. In Charlys Augen jedenfalls.
Ich kann mich an eine dreitägige Tour erinnern, bei der Charly allem Anschein nach auch immer in diesen Stiefeln geschlafen hatte.
Wir konnten ihn jedenfalls an jedem Morgen an den Dingern aus dem Zelt ziehen und vorsichtig reanimieren.
Es dauert immer ein wenig, bevor er morgens auf Touren kommt. Aber, wenn man dann irgendwann weiß, wie er funktioniert, dann kommt man mit ihm ganz gut zurecht.
Er ist noch einer von der ganz alten Schule, unser Charly.


„Wie ist denn der Plan für heute?“, fragte Rolf und sah mich an. Ich saugte mir langsam die dritte Tasse Kaffee in den Kopf und überlegte.
Wie war noch mal unser Plan für heute?
Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Richtig, wir fahren nach Garmisch-Partenkirchen. Nur wir vier BMW-Fans.
Da war nämlich diese große BMW-Veranstaltung. Und da wir schon mal in der Gegend waren.
Die meisten der anderen Teilnehmer würden heute gemeinsam eine Aufwärmrunde drehen. Aber am heiligen Sonntag ist einfach zu viel Verkehr hier unten. Da kann man sich vor lauter Motorrädern kaum retten.
An normalen Wochentagen geht es hier wesentlich entspannter zu.
Da kann man auch direkt zum BMW-Treffen fahren. Nach Garmisch und zurück ist ja auch eine schöne Aufwärmrunde.

Auf dem Vorplatz herrschte bereits Aufbruchstimmung. Wir nahmen wieder an unserem Holztisch Platz und verdunsteten noch ein wenig vom kreisenden Restalkohol.
Einige der Reiskocherpiloten kreischten schon aufgeregt herum.
Ein riesenhafter Typ, der in seiner viel zu engen Lederkombi aussah, wie der berühmte Glöckner im Taucheranzug, sah uns überrascht an. „Was ist denn mit euch, kommt ihr nicht mit?“
„Bloß keine Hektik“, murmelte Charly und legte die Füße auf einen Stuhl.
„Fahrt ihr ruhig mal. Heute ist doch Sonntag. Da gehen wir immer erst in die Kirche“, erklärte ihm Dietmar.
Der Typ starrte uns verwundert an.
„Wir kennen hier einen Pastor. Da kommen wir umsonst rein“, setzte Dietmar nach.
Soooo…..einen Bart, hat der Spruch, zeigte der Typ.
Kopfschüttelnd stakste er davon. Hüftsteif schleuderte er die Beine abwechselnd nach vorne.
„ Könnt ich nich…!“, sagte Charly.
„Was..kannste nich?“ fragte Rolf.
„ Na, sonne Papageienhaut…da klemmt man sich doch die Eier ein“, sagte Charly.
„Und sieht auch noch Scheiße aus..“, ergänzte Dietmar.
„Ach ja, jeder wie er meint“, beendete ich die Diskussion. Noch war ich der Bürge.

Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen genossen wir dann in aller Ruhe das morgendliche Schauspiel.
Dann kam endlich, wie ich es bereits erwartet hatte … Rudolfs großer Auftritt.

Eine gelbe 1200erGS kam die Straße heruntergeschossen. Kurz vor der Einfahrt vollführte der Fahrer eine Vollbremsung. Das Hinterrad verlor sichtbar die Bodenhaftung. Nahezu im Stillstand riss der Typ sein Gefährt herum und jagte nur auf dem Hinterrad auf den Platz. Er gab immer wieder stoßartig Gas um die Fuhre stabil zu halten.
Knapp vor dem Eingang ließ er das Vorderrad wieder auf den Boden knallen.
„Nicht schlecht..“, murmelte Charly.

„Das ist Rudi … einer von den Tourguides“, erklärte ich.
„Sind die alle so …?“, wollte Dietmar wissen.
„Nee, die anderen sind wirklich schlimme Heizer“, klärte ich ihn auf.
Dietmar verstummte und schien zu überlegen, ob er seine Versicherung auch pünktlich bezahlt hatte.
„Wir haben Vollkasko, stimmt doch Rolf … oder?“, schob ich noch nach.
Rolf bestätigte meine Aussage.
Dietmar überlegte angestrengt weiter. Charly grinste nur.

„Morgen fahren wir mit ihm. Dann sind wir wenigstens pünktlich zum Essen wieder hier“, verkündete ich schon mal direkt unseren Plan für den nächsten Tag.
Auf dem Platz hatte indessen die Aufteilung der Ausflügler begonnen.
Walter fuhr in diesem Jahr anscheinend eine KTM-Adventure. In leuchtendem Orange auch noch. Hat aber auch eindeutige Vorteile, nicht das Motorrad, lediglich diese Farbe. Da verliert man seinen Guide nicht so schnell aus dem Blickfeld.
Rudi schien irgendwie nicht so viele Anhänger gefunden zu haben. Die üblichen Verdächtigen natürlich wieder. Rainer mit seiner R1 war wie immer auch dabei. Rainer ist so etwas ähnliches wie ein Dauercamper, hier im Bikerhotel.
Der ist im Sommer ständig hier. Manche behaupten, dass er einen an der Waffel hat. Das würde ich so nicht unterschreiben, aber so richtig in der Spur ist er auch nicht. Aber wer kann das schon von sich behaupten.

Es waren so insgesamt etwa 12 Teilnehmer am Start. Acht bei Walter und die anderen vier sammelten sich um Rudi. Eventuell würden noch einige Nachzügler eintreffen, an diesem schönen Sonntag. Sagte Walter jedenfalls.
Der hatte mir auch schon die schönste Strecke nach Garmisch erklärt. Da mussten wir schließlich noch hin, laut Plan.

Relativ gesittet machten sich dann die beiden Rudel auf den Weg.
Viel Glück und nicht etwa Hals-und Beinbruch. Das wünscht sich hier niemand.

„Wie sieht’ s aus Mädels …?“Rolf drängelte plötzlich. Das BMW-Fieber schien ihn nun doch noch ergriffen zu haben. Ächzend erhoben wir uns, um unser Zeug zu holen. Als wir dann kurz danach in lockerer Formation auf der Straße in Richtung Garmisch rollten, kroch so langsam wieder dieses Kribbeln durch den noch müden Körper.
Durch meinen müden Körper wenigstens. Aber an der Haltung der drei anderen konnte ich erkennen, dass es nicht nur mir so ging.
Die Strecke war halbwegs bekannt, und irgendwelche Zweiradcabrios zogen zügig an uns vorbei.
Zu spät sollten wir dann doch nicht ankommen, in Garmisch.
Die Temperaturanzeige verkündete diensteifrig die volle Einsatzbereitschaft der Hardware und die Jungs waren dicht hinter mir.
Na dann, einen guten Morgen … die Herrschaften.

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:30
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...Mit diesen Reisedampfern habe ich im Laufe meiner Motorradkarriere schon einige praktische Erfahrungen sammeln können. Immerhin bin ich drei Jahre lang stolzer Besitzer einer STX-1300-Paneuropean gewesen. Die Goldwing lassen wir hier mal außen vor.
Ein wirklich schöner Langstreckentourer. Die Pan, meine ich. Manche nennen sie auch Pendeleuropean, aber das ist Unfug.
Wenn man die elektrisch höhenverstellbare Frontscheibe richtig positioniert, dann kann man bequem mit über 200 Sachen über die Bahn rauschen. Da pendelt nichts, höchstens die Bikerseele.
Ach ja, die gute alte Pan.
Die FJR allerdings, mit der ich es nun hier zu tun hatte, geht noch mal um einiges besser. Auch die hatte ich schon einmal praktisch erproben können.
Mörderbremsen und ein toller Durchzug.
Allerdings auch ein echtes Trumm.

Auf gut ausgebauten Landstraßen kann man diesem Teil, mit einer GS keine Punkte abnehmen. Jedenfalls nicht, wenn der Fahrer halbwegs ausgeschlafen ist. Und der hier … war hellwach.
Der Kollege war zudem ziemlich zügig unterwegs.
Ich tätschelte meiner Gelben den Tank und redete ihr schon mal gut zu. Wenn wir dann gleich auf die Serpentinstrecke kommen werden, da wird die gute Kuh die Beinchen ordentlich strecken müssen.
Rolf fiel etwas zurück. Die beiden 1150er blieben dran.

Diesen Yamahareiter greif ich mir. Das wird aber kein Sonntagsfrühstück, soviel war schon mal sicher. Der schien sich hier auch noch auszukennen, der Hund. Er ließ mich schön rankommen und am ersten Anstieg gab er seinen mehr als 140 Pferdchen ordentlich die Sporen.
Wie gesagt, die hat wirklich einen ordentlichen Durchzug, diese FJR. Mit meiner üblichen Spezialtaktik, dem Anbremsen auf der letzen Rille würde ich hier auch nicht viel reißen können. Die von der R1 abgeleitete Bremsanlage meines Kontrahenten erlaubt dem ganz ähnliche Manöver.
Und er verschenkte auch tatsächlich keinen Meter.
Dran ist nicht drin … und daneben ist nicht vorbei. Da muss man dann einfach dranbleiben und auf die Gelegenheit lauern. Als die Kurven dann enger wurden, machten sich dann doch das Kampfgewicht und diese eigenwillige Lenkerkröpfung der Yamaha bemerkbar.
Die Gattung der sogenannten Sporttourer ist eben auch nur ein Kompromiss. Kein schlechter zwar, aber eben auch nicht perfekt.

Die Gelbe versuchte sich jedenfalls kampfeslustig, in das Hinterrad ihres Gegners zu verbeißen. Dafür muss man einfach Verständnis haben.
Vor der nächsten Kurve schlich ein Sonntagsfahrer dösend vor sich hin. Der FJR-Jockey warf schon mal den Anker. Der Dosenfahrer spielte auch bereits mit seinen roten Rückleuchten herum.
Da war aber eindeutig noch Platz, zwischen Dose und Kurveneingang. Nicht viel, aber genug.
Die alte Links-rechts-Kombination … und dann der BKV. Manchmal ist es eben etwas eng … aber Platz ist in der kleinsten Hütte.
Die Gelbe zitterte noch etwas in der Kurve, aber war ja auch kein Wunder. Die hatte sich auch ordentlich anstrengen müssen, die Gute.
Der Kollege hatte jetzt erst mal eine Denksportaufgabe und ich freie Bahn.

Natürlich war die ganze Aktion genauso bescheuert wie sinnlos. Aber was sein muss, muss einfach sein.

Ich fuhr in gemäßigtem Tempo weiter. Es war eben Sonntag und der Verkehr wurde dementsprechend auch dichter.
Da muss man einfach jede Gelegenheit nutzen.
An einem gut einsehbaren Platz stoppte ich die Kuh und wartete auf meine Begleiter. Die FJR rollte dann auch vorbei und der Fahrer griff sich an den Helm, als er mich sah. Entweder sollte das ein militärischer Gruß sein, oder er hat mir einen Vogel gezeigt.
Sporttourer sind aber eigentlich faire Verlierer, deshalb nehme ich mal die erste Variante.

Die anderen drei Kollegen kamen ebenfalls kurz danach an.
Jede sich bietende Gelegenheit dankbar nutzend, steckte sich Rolf eine Zigarette an. Charly und Dietmar sind bekehrte Nichtraucher. Das führt oft zu kleinen Auseinandersetzungen.
Speziell unser Charly ist einer von diesen Dauerläufern. Der hält erst dann an, wenn er tanken muss. Jetzt mal leicht übertrieben dargestellt.
Rolf hingegen muss seinen Nikotinspiegel mindestens stündlich auf sein Standardniveau anheben. Das ruft gelegentlich ein wenig Unmut hervor. Vor allem bei Rolf. Dessen Stimmung scheint eindeutig mit seinem Nikotinspiegel zu korrelieren.
Das wird wohl noch ein kleines Problem werden, bei den noch folgenden Tagestouren.
Aber zunächst einmal … auf nach Garmisch. Mal sehen, was die Kuhzüchter da so aufgebaut haben.

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Neuer Beitrag 13.02.2009 12:30
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...Es war Sonntag, es war schön warm und wie immer bei solchen Gelegenheiten, schien sich die gesamte Bevölkerung der weiteren Umgebung entschlossen zu haben, die Straßen zu verstopfen. Hilfreich unterstützt von den lokalen Straßenbauverantwortlichen, die an sämtlichen Engstellen lustige Zusatzampeln aufgestellt hatten. Diese angeblich funkgesteuerten Lichtorgeln.
Für deren Programmierung scheint bundesweit nur ein Standardprogramm zu existieren.
5 Sekunden GELB, 10 Sekunden GRÜN und dann 10 Minuten lang … ROT.
Es gab eine ganze Menge solcher Engstellen und leider auch eine noch viel größere Menge von Verkehrsteilnehmern, auf dieser Strecke nach Garmisch.
Verkehrsteilnehmer wie PKW, Busse und eine unüberschaubare Zahl von Motorrädern.

An einem Sommersonntag im urbanen Ampeldauerstau.
Bei diesen Gelegenheiten erntet man immer diese fast mitleidigen Blicke der Autoinsassen. Wenn dann die bedauernswerten in meist dunklem, wasserdichten Leder verpackten Bikersenioren, auf ihren vor sämtlichen kühlenden Lüftchen geschützten Tourern, die Klapphelme öffnen und ihr gerötetes und verschwitztes Antlitz präsentieren … dann weicht der unterschwellige Neid oft dem Mitleid.
Dann hat der gefrustete Autofahrer endlich wieder das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Damals … als er seine alte Honda gegen einen neuen Passat mit Klimaautomatik getauscht hat.

Aber da muss man durch. Der absolute Gegensatz zur vielbesungenen Freiheit auf zwei Rädern.
Aber es hätte alles noch viel schlimmer sein können.
Als ich vor einigen Jahren, in einem plötzlichen Anfall geistiger Umnachtung, auf die fixe Idee verfiel, auch mal eine Harley ausprobieren zu müssen … da waren solche Ampelstaus die Hölle.

Gut … es war keine richtige Harley. Es war eine 1200er Sportster. Der Name ist allerdings irreführend. Die Bezeichnung Harley-Davidson-Sportster für dieses Gefährt, ist ein gutes Beispiel für eine „Contradictio in adiecto“ wie die toten Lateiner sagten, für diesen berühmten „Widerspruch in sich“.

Abgesehen davon wies dieses Gerät auch noch einige bauliche und konstruktive Besonderheiten auf. Im direkten Zusammenhang mit diesen sommersonntäglichen Ampelstaus ist hier speziell der Öltank zu erwähnen.
Dieses Bauteil befindet sich unmittelbar unter der Sitzbank. Das bedeutet konkret, dass sich zwischen dem mehr als hundert Grad heißen Ölvorrat und den wesentlichen für die Fortpflanzung notwendigen Körperteilen, nur eine dünne mit Kunstleder überzogene Schaumstoffkonstruktion befindet.
Es ist also kein mühsam unterdrückter Aktionismus, oder gar ein Anzeichen für dynamische Spannkraft, wenn ein HD-Sportster-Pilot, vor einer roten Ampel unruhig herumzappelt.
Falls die Familienplanung noch nicht abgeschlossen sein sollte, dann rate ich vom Kauf einer HD-1200XL-Sportster dringend ab.
Zumal mein Jubiläumsmodell den, bis dahin 100-jährigen konstruktiven Sachverstand der Ingenieure aus Müllwaukee repräsentieren dürfte.

Aber nichts gegen Harley-Davidson. Die vermarkten die Sportster-Baureihe inzwischen ja eher als Frauenmodell. Die Frauen wollen ja auch immer Sitzheizungen in den Autos. So gesehen kann man das auch als zielgruppenspezifische Konstruktion bezeichnen.

Wenn man da so im Stau herumsteht, dann fallen einem solche Dinge wieder ein.

Nun gut, wir versammelten uns dann noch gemeinsam mit ungefähr 50 anderen Moppeds an einer Tankstelle, um die Brennstoffvorräte zu ergänzen.
Das übliche Geschiebe und Gedränge. Einem fällt der Helm runter, der Andere sucht in seinen 24 aufgenähten Jackentaschen nach dem Schlüssel. Irgendwelche überhitzten Vierzylinder-Vergaserbatterien verweigern die Arbeit.
Ätzend, aber wie immer an solchen sonnigen Sonntagen.

Irgendwann erreichten wir dann tatsächlich einen der ausgeschilderten Abstellplätze für die Besucher der BMW-Show.
Ein längerer Fußmarsch war dann allerdings doch noch nötig. Es war voll und es war schön warm. Tausende von Schaulustigen drängelten sich um die wenigen sehenswerten Exponate.
Die Veranstalter hatte eine Art Riesensandkasten aufgebaut, in dem die verschiedenen weiß-blauen Offroadmodelle schmutzig und wenig spektakulär ihre Runden drehten. Immer die kleinen Hügel rauf und runter.
Chris Pfeiffer war natürlich auch wieder da. Der zeigte in regelmäßigen Abständen seine wirklich spektakulären Kunststücke. Die neue GS 800 war diesmal das Objekt des Exhibitionismus.

Es gab auch ein Reihe von Verkaufsständen, die wie Kirmesbuden oder Messestände aufgereiht waren. Das übliche Zeug eben.
Dietmar und Charly verloren sehr schnell die Lust und suchten sich ein schattiges Plätzchen in einer dieser gastronomischen Erlebnisstätten.
Irgendwelche Edelgastronomen hatten unter anderem den Zuschlag bekommen und konnten hier ihre Bilanzen und ihr Image verbessern.
Es war schon immer etwas teurer … genau diesen Geschmack zu haben.

Rolf und ich marschierten noch ein bisschen umher, um vielleicht doch noch ein wenig vom BMW-Spirit einzuatmen.
Zu meinem größten Bedauern muss ich gestehen, dass die Marketingstrategen der bereits erwähnten Firma aus den U.S.A, diesbezüglich wesentlich kreativer agieren.
Zugegeben, die haben es auch etwas einfacher. Easy Rider, Wilder Westen und was die sonst noch für Archetypen verwenden können.
Seppelhüte, kurze Lederhosen und Feinkost Käfer wirken dagegen doch eher beschaulich. Aber immerhin können die weiß-blauen Strategen hier mit ihrer Adventure-Welteroberer-Nummer gegenhalten. Auch nicht schlecht, wenn dann mal das Batterieproblem endlich gelöst ist. Bis dahin..muss der Glaube, der nur allein zählt, eben die Berge versetzen.
Die Berge, die man dann gelegentlich weder hinauf noch herunterfahren kann, weil mal wieder plötzlich und unerwartet, die unsägliche Serienbatterie…..aber Schwamm drüber.
Immer noch besser, als sich auf siedendem Öl die Gonaden zu frittieren.

Apropos ... Gonaden. Als wir dann endlich auch den schützenden Schatten erreicht hatten, in dessen Schutz sich Dietmar und Charly begeben hatten, wurde uns direkt Angelika vorgestellt. Dietmar hatte inzwischen auf seine unnachahmliche Art einen völlig uneigennützigen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet.
Er hatte Angelika, die seiner Aussage nach wohl eine Eingeborene war, also er hatte ihr einige Feinheiten aus dem großen Repertoire des weltweit geschätzten rheinischen Brauchtums nahegebracht.

Grundsätzlich bin ich für derartige kulturelle Einzelleistungen immer zu haben.
Hier fand ich aber, dass eine gewisse Zurückhaltung durchaus angebracht gewesen wäre. Angelika strahlte eine natürliche, wie soll ich sagen, also eine eher bodenständige Fröhlichkeit aus. Vielleicht wäre auch, bäuerliches Erscheinungsbild, deutlich näher an der Wahrheit.

Rolf und ich verkündeten nahezu gleichzeitig, uns zunächst um trinkbare Flüssigkeiten bemühen zu wollen. Schnell weg hier!
„Der hat doch wohl ’ nen Sehfehler“, staunte Rolf leise, als wir außer Hörweite waren.
„Damit kommst du nicht hin, selbst wenn er blind wäre, dann müsste er auch noch taub und…“, mir fiel auch nichts mehr ein.
Wir kannten Dietmar. Wenn der einmal Feuer gefangen hatte, dann gab es kein Halten mehr. Sein Einfallsreichtum war legendär. Angelika hatten wir jetzt am Bein. Davon war auszugehen.
„ Haben wir schon vier Uhr?“, fragte Rolf und starrte verzweifelt auf die aufgereihten Maßkrüge.

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Immer noch Tag 2 in Garmisch

...Angesichts der möglichen Spätfolgen entschieden wir uns dann doch für alkoholfreie Getränke.
„Wie viel von diesem Alpenwurz hat sich denn der Dietmar eingefüllt, letzte Nacht?“, mutmaßte ich, des Rätsels Lösung weiterhin auf der Spur.
Rolf sah mich nachdenklich an und kratzte sich am Kopf.
Ockhams Rasiermesser … wenn es eine einfache Erklärung gibt, dann sollte man nicht unbedingt weiter nach einer komplizierten suchen.

Dietmar begeisterte seine Eroberung weiterhin mit lockeren Sprüchen und kleinen Slapstick-Einlagen, als wir dann zurückkehrten.
Charly ruhte in sich und schien das Unvermeidliche akzeptiert zu haben.
„Hast du die Adresse vom Hotel?“, wollte Dietmar von mir wissen.
Rolf räusperte sich und rutschte warnend und unruhig auf seinem Plastikstuhl hin und her.
„ Hab ich jetzt wirklich nicht…ich glaube…schade …so ein Pech….Neeeh!“, so betrübt wie möglich dreinblickend, versuchte ich das Unvermeidliche weiterhin zu verhindern.
„Macht nichts … ich rufe dich an“, jodelte Dietmar fröhlich und strahlte seine Angelika lüstern an.
Die strahlte ebenso lüstern zurück und erklärte entschlossen, auf diesen seinen Anruf warten zu wollen.
Charly öffnete ein Auge und sah mich an. Da kann man sich nur zurücklehnen und gute Miene zum traurigen Spiel machen.
Angelika zog es nun aber schleunigst zurück nach Hause. Der wohl ungeliebte Ehemann musste auf Montage. Eine ganze Woche würde er nun fernbleiben.
Diese Insiderinformationen bekamen wir dann von Dietmar mitgeteilt.

„Was hast du denn vor?“, fragte ihn Rolf, mehr wissend als ahnend aber trotzdem neugierig.
Dietmar grinste triumphierend und schien tatsächlich wild entschlossen zu sein.
„Eigentlich sind wir doch zum Moppedfahren hergekommen“, unternahm ich einen letzten verzweifelten Versuch.
„ Die will mit der Karre von ihrem Macker kommen“, erklärte Dietmar uns dann im Vertrauen.
Jetzt war es aber wirklich gut. Da geht der Spaß aber nun doch zu weit. Dem armen, fleißigen Monteur auch noch das Mopped klauen. Das hat wirklich niemand verdient.
„Oh, oh..“, stöhnte Rolf. Wir waren uns mal wieder einig.

„Du kannst doch nicht einfach irgendwelche Leute, während der Alpen-Express, einfach so dazu holen“. Ich war, hauptsächlich wegen der Sache mit dem Mopped, wirklich ungehalten.
„Wieso, das macht der Thomas doch auch“, erwiderte Dietmar ungerührt.
„ Und bei dem kommen direkt zwei Mäuse.“

Rolf beugte sich überrascht vor. Ich war zwar auch überrascht, aber mich wunderte inzwischen gar nichts mehr.
Dietmar war voll im Bild. Thomas hatte ihm am gestrigen Abend wohl seinen teuflischen Plan im Detail erläutert. Weit weg und sicher vor seiner misstrauischen Ehefrau, hat sich Thomas seine Freundin und aus Alibigründen auch noch deren Freundin ins Bikerhotel eingeladen.
Warum nun dessen Freundin eine Alibibegleiterin brauchte, war nicht schwer zu erraten. Sodom und Gomorrha, eben.

„Die Freundin von der Freundin ist ' ne Nymphomanin … hat Thomas gesagt“. Dietmar protzte mit Insiderwissen.
„Quatsch, Nymphomanin … gibt’ s doch gar nicht. Alles Quatsch!“ Charly grummelte wissend vor sich hin.

Ich lehnte mich weit in meinem Plastikstuhl zurück und nahm mir ganz fest vor, auf gar keinen Fall mehr diesen Alpenwurz anzurühren. Auf gar keinen Fall mehr.

So langsam wurde es Zeit den Rückweg anzutreten. Wenn der Verkehr ähnlich dicht war wie bei der Hinfahrt, dann würden wir mindestens … brauchen. Wenn nicht noch länger.
Es zog sich tatsächlich. Aber irgendwann hatten wir wieder die allseits beliebten Tiroler Landstraßen unter den Reifen und konnten uns entspannen.
Die Boxer boxten lustig vor sich hin und wir ließen es ruhig angehen.
Keine Hektik am heiligen Sonntag. In die andere Richtung hatten sie es eiliger.
Die Kollegen scheuchten ihre Moppeds zügig zurück in Richtung der deutschen Radarfallen und Laserpistolen. Wir blieben ganz entspannt.
Niemand auf der Strecke, der es wissen wollte und überhaupt … der erste Tag sollte immer ruhig und gelassen angegangen werden.

Dieses Motto hätte sich allerdings auch der Kollege mit der fast neuen Triumph auf die englischen Fahnen schreiben sollen.
Der hatte die zweifelhafte Ehre der Erste in der Reihe der diesjährigen Alpen-Express-Kamikaze zu sein.
Näheres erfuhren wir dann beim Aftertourbier auf den Holzklappstühlen.
Der hatte wohl ein wenig ungeschickt gebremst und sein Hintermann hat ihn darob überrascht, von der abschüssigen Straße geschubst.
Der Hintermann war nicht von uns und deshalb uninteressant.
Unser Mann war schon in medizinischer Obhut und weitestgehend intakt geblieben. Bis auf die üblichen Frakturen. Die Triumph hatte wohl einiges von ihrem typischen englischen Charme eingebüßt und war nur noch als Ersatzteilspender zu gebrauchen. Das erzählte jedenfalls Rudi.
Sonst sagte er nicht viel. Uns jedenfalls nicht. Dem Walter musste er allerdings mehr erklären, so als irgendwie verantwortlicher Guide.
Das Bikerhotelorakel war somit auf unserer Seite. Niemals gab es beim selben Guide an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einen Abflug.
Aber man sollte diese Orakel auch nicht überschätzen.

Keinesfalls unterschätzen sollte man auch nicht die beiden frisch eingetroffenen Ducatis. Eine thronte auf einem umgebauten japanischen Pick-up. Die Zweite auf einem eleganten Hänger am selben Gefährt.
Die beiden Inhaber des Gespanns wirkten allerdings ziemlich extravagant. Muss ja auch alles passen. Wer so aufläuft, der ist in der Regel ja auch kein Pflichtmitglied in der AOK.

Thomas rannte schon irgendwie aufgeregt durch die Gegend. Wir kannten mittlerweile ja auch den Grund und verharrten abwartend und ein wenig neugierig auf unseren Plätzen.
Mal sehen wer und was da noch so alles eintrifft.
Dietmar versuchte inzwischen eifrig eine SMS abzusenden. Ich hoffte immer noch inständig, dass der unglückliche Monteur vielleicht doch seinen Moppedschlüssel versteckt haben könnte.
Aber selbst wenn, meine Erfahrung lehrt mich, dass entschlossene Noch-Ehefrauen auch in solchen Fällen immer einen Weg finden. Die würde kommen, mit oder ohne Schlüssel.
Unauffällig beobachtete ich Dietmar bei seiner Handyaktion. Ein wenig Mitleid hatte ich schon mit ihm. Aber wirklich nur ein wenig.

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..„Da bin ich aber mal gespannt..!“ Rolf nickte in Richtung der Einfahrt.
Charly schob seine Sonnenbrille tiefer auf die Nase und blinzelte ebenfalls in diese Richtung. Dort rollte eines von diesen neumodischen Frauencabrios herein. Irgend so ein nagellackfarbener offener Peugeot.

Die beiden mit Baseballkappen behüteten Insassinnen machten sich direkt auf die Suche nach einem Parkplatz. Die Fahrerin rangierte extrem vorsichtig in eine Lücke, in die auch locker ein Vierzigtonner gepasst hätte.
Bei dieser Aktion hätte sie fast um Haaresbreite einige der abgestellten Moppeds weggekegelt.
Einige der vor sich hindösenden Kollegen wurden plötzlich sehr munter und verfolgten das gewagte Einparkmanöver stehend und mit offenen Mündern.
Nachdem die Pilotin und ihre Navigatorin das Fahrzeug verlassen hatten, brandete ihnen stehender Applaus entgegen.
Man soll sich eben nicht immer über einparkende Frauen lustig machen. Ein wenig Anerkennung … da bricht sich wirklich niemand einen Zacken aus der Krone.

Mit einem solchen begeisterten Empfang schienen die Damen nicht gerechnet zu haben. Angesichts des tobenden Publikums verkrochen sie sich sofort wieder in ihr Fahrzeug, wie man erkennen konnte wohl um ihr Make-up zu überprüfen.
Thomas war inzwischen herbeigeeilt und bemühte sich anscheinend den Damen etwas von ihrem Lampenfieber zu nehmen.

„Da hat er wohl jetzt eine echt harte Woche vor sich..“, kommentierte Charly die Bemühungen unseres neuen Tourenfreundes.
„Nur was für richtig harte Kerle..“, murmelte Rolf. „Habt ihr gesehen, was die Eine für Augen hat. Mann … Mann … Mann.“ Rolf hat eine Schwäche für schöne große … Augen.

Thomas bemühte sich inzwischen, die hinter den Frontsitzen verkeilten Reisetaschen der beiden Grazien zu befreien.
In den Restkofferraum dieser Cabrios passen aber immer noch diese unverzichtbaren Schminkköfferchen.
Die hatten allerdings eine ansehnliche Größe.

„Wäre das nicht auch was für dich?“, fragte ich Rolf.
„Naja, die Große geht so …“, murmelte er … erkennbar beeindruckt.
Wobei er aber sicherlich die Dame meinte und nicht etwa deren Werkzeugkoffer.
Da werde ich wohl ein Auge auf meinen Kumpel haben müssen. Wenn der noch nicht einmal mehr meine kleinen Bosheiten registriert.

Dietmar war indessen nicht so richtig weitergekommen. Mit seiner SMS.
„ Immer wenn ich hier einen Buchstaben eintippe, dann macht das Scheißding sofort ein Wort daraus. Aber immer ein Falsches …“, fluchte er.
„Is’ bestimmt ein Nokia“, vermutete Charly. „So eins hatte ich auch mal, echt Scheiße … diese Dinger!“
„Ruf doch einfach an“, versuchte Rolf zu helfen.
„Du musst aber aufpassen, wir sind hier im Ausland. Diese Nokias leiten automatisch alle Anrufe aus dem Ausland über Finnland weiter. Das kostet ein Vermögen“. Rolf verwirrte den nervösen Dietmar mit Inbrunst weiter.
Mit der modernen Kommunikationstechnik hatte der es nicht so.
„Sei froh, dass du kein Samsung hast, über Korea ist noch teurer“, stöhnte ich.
Dietmar hatte mittlerweile gemerkt, dass er auf die Schippe genommen wurde, und schwieg beleidigt.

Leise fluchend verschwand er mit seiner finnischen Wundertüte im Hotel, um sich von Simone in die Feinheiten der Auslandsvorwahlen einweihen zu lassen. Die Adresse wollte er auf diesem Wege auch direkt erfragen.
Wenn der sich einmal was vorgenommen hat …!

„Hör mal, was wollte der eigentlich simsen?“, wunderte sich Rolf nachdenklich.
„Ist doch egal“, brummte Charly. „ Ist das eine Vaurott, da hinten?“
„Was soll da sein … tatsächlich eine V-Rod!“ Rolf als Harley Experte bestätigte Charlys Verdacht.
Sofort stiefelte er los um den Hightechblender in näheren Augenschein zu nehmen. Wir schlurften hinterher um ein wenig über diese Zumutung auf zwei Rädern abzulästern.

Der stolze Besitzer war auch in der Nähe und offenbar hocherfreut endlich einem wahren Kenner nähere Auskünfte über dieses Wunderding geben zu können.
Es war der Gekämmte vom Vortag.
„Porschemotor!“, verkündete er stolz.
„Echt..!“ Charly ging ächzend in die Hocke und befummelte mit seinen Wurstfingern das angebliche Porscheaggregat.

Charly ist ein echter Harleyhasser, das muss man wissen.

„115 PS … mindestens“. Der Gekämmte atmete tief ein und seine Augen glänzten vor Besitzerstolz.
„Die fahren sogar Rennen damit, in Amerika“, klärte uns Rolf auf.
„Weißt du was?“, sagte Charly zu mir und erhob sich.
„Was …?“, wollte ich eigentlich nicht wissen.
„Das ist ein großer Haufen Hühnerkacke“, erfuhr ich dann doch noch.
Dem Gekämmten entgleisten die Gesichtszüge.
Empört wandte er sich ab und schien sich bei seinem Mopped entschuldigen zu wollen.
„Du hast ja recht“, flüsterte ich Charly zu, während wir die beiden Harley Fans enttäuscht zurückließen, um unsere Plätze wieder aufzusuchen.
„Ich hab mal eine große Runde mit so einem Ding gedreht. Franky hatte mal so ein Teil da rumstehen. Da hat selbst meine graue Restmülltonne ein besseres Fahrwerk. Und die hat nur zwei Plastikräder. Die Sitzposition ist ein Witz.
Da sitzt man auf dem fahrbaren Toilettenstuhl meiner alten Tante noch besser … und der hat immerhin auch vorverlegte Fußstützen. Das darf man aber nicht laut sagen … diese Harley Typen sind echte Mimosen“.
Charly schnaufte nur.
Manchmal ist der Typ einfach nur … peinlich.
Hier waren alle irgendwie stolz auf ihre Maschinen. Da muss man tolerant sein. Die Geschmäcker sind einfach verschieden.
Eindringlich versuchte ich Charly die Gepflogenheiten in diesem Hotel zu erklären.
Er schwieg und schien zu überlegen.
„Trotzdem, ein großer Haufen Hühnerkacke diese Vaurott“, erfuhr dann auch noch die Gefährtin des Porschereiters. Die stand in der Nähe und schien Ausschau nach ihrem Helden zu halten. Verwirrt sucht sie das Weite und entdeckte dann auch schnell ihren immer noch empörten Begleiter.
Eines war sicher, so macht man sich keine Freunde.

Dieser Meinung war Rolf dann auch. Er hatte den beleidigten V-Rod Besitzer und dessen Gemahlin wieder etwas beruhigen können.
Harley Liebhaber haben eben andere Beurteilungskriterien, wenn es um die Eigenschaften ihrer Zweiräder geht.
Wir saßen gemeinsam beim Abendmahl, als Thomas dann endlich mit seinen Besucherinnen auf der Bildfläche erschien.
Die, mit den schönen Augen, schien seine Freundin zu sein. Die andere war ein bisschen dünn und hatte eine Frisur wie dieser Pumuckl aus dem Kinderprogramm. Aber was noch schlimmer war, sie hatte auch eine ganz ähnliche Stimmlage.
Thomas deutete in unsere Richtung und schien den nun neugierig herüberschauenden Damen scheinbar irgendwelche Geheimnisse anzuvertrauen.
„Was hast du dem Thomas denn gestern Abend alles erzählt?“, wollte Rolf von Dietmar wissen. Der schien kurz nachzudenken und zuckte dann mit den Schultern.
Die Mädels starrten mit weit aufgerissenen Augen zu unserem Tisch herüber und Thomas lehnte sich entspannt zurück. Das muss aber eine tolle Geschichte gewesen sein.

Dietmar schwieg und säbelte an seinem Schnitzel herum.
„Doch wohl hoffentlich nicht die Sache mit diesen Schwestern, letztes Jahr?“, ahnte ich dunkel.
Dietmar säbelte weiter eifrig an seinem Schnitzel herum.
Es konnte nur an diesem Alpenwurz gelegen haben, denn Dietmar kann sonst schweigen wie ein Grab. Manche Dinge sollte man einfach für sich behalten.
Thomas grinste entspannt und winkte uns zu.
Mal sehen wie entspannt der in den nächsten Tagen noch ist.
„Die Sache mit diesen Schwestern war wirklich ein tolles Ding“, murmelte Charly mit vollem Mund. Rolf und ich schwiegen. Rolf wurde sogar ein bisschen blass im Gesicht.

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...An diesem Abend wurde die Kellerbar nicht geöffnet. Aus diesem Grund versammelte sich die Truppe gezwungenermaßen um die Thekenzeile im großen Restaurantraum.
Diese Theke ragt U-förmig in den Raum hinein und bietet Platz für mindestens 20 Personen.
Einige blieben an ihren Tischen und diskutierten die Vorgänge des abgelaufenen Tages. Erfahrungsgemäß werden schon am ersten Tag die Verbindungen geknüpft, die dann den Rest der Woche weiter gepflegt werden.
Rudi der Tourguide, ein eigentlich ziemlich schweigsamer Eingeborener, wurde ordentlich bedrängt. Er war der einzige richtige Augenzeuge des heutigen Abflugs. Die Sache hatte sich im Tal zugetragen. In diesem berüchtigten Tal, indem sich an den Wochenenden immer wieder solche Dinge ereignen.
„Wennst do net mindastöns hunderochztg foarst..dann übahoalt dich doa jede Sau … !“, erklärte Rudi völlig gelassen den Zwischenfall.

Ich stand in der Nähe und verfolgte die Diskussion. Das Tal hatte es in sich.
Im letzten Jahr hatte ich mir mit Rainer und seiner R1 dort ein kleines Privatrennen geliefert. Rainer vorneweg und ich habe dann versucht ihn zu packen.
Gut, eine R1 zu packen ist fast unmöglich. Wenn der Fahrer auch nur einigermaßen sein Gerät beherrscht, dann hat man keine Chance. Nicht im Tal und auch kaum auf den Pässen. Aber Rainer ist kein sonderlich begnadeter Pilot. Nach jeder Kurve zog er mir zwar weg, aber ich konnte immer in der nächsten Kurve wieder Boden gutmachen und deshalb dranbleiben.
Das Tal ist eine echte Mörderstrecke und Rainer fährt dort häufig herum. Aber mehr als 180 haben wir fast nie erreicht. Höchstens auf den längeren geraden Abschnitten mal, aber nur ganz kurz.
Da bewegt man sich dann aber schon im Grenzbereich zwischen Himmel und Erde. So als normaler Alpentourist.
Einige Einheimische hämmern allerdings da durch, dass es einer Sau graust.
Selbst wenn man als Normalfahrer am persönlichen Limit ist, wird man dort überall überholt. Links oder rechts, Kurve oder Gerade … da pfeifen’s vorbei … die Buam.

Da kann oder sollte man sich dann doch schon mal die Sinnfrage stellen. Habe ich dann auch gemacht. Mit dem Ergebnis, dass ich mich dort nicht mehr auf irgendwelche Gefechte einlassen werde.
Dies hat unter anderem den Vorteil, dass ich hier noch diese Erfahrungen weitergeben kann. Survival of the fittest, würde Darwin sagen.
Aber der hat ja auch nie versucht eine R1 abzufangen. Der alte Engländer.

Was den anderen Engländer anging, oder Englandfan um genauer zu sein, der würde schon in Kürze wieder flüssige Nahrung zu sich nehmen können.
Walter überbrachte uns diese freudige Botschaft.
Darauf dann erstmal einen …! Stopp, für mich nicht. Heute nicht.
Charly sah mich leicht verstört an und kippte dann eben zwei hinunter. Bei dem kann das Zeug auch keinen weiteren Schaden mehr anrichten.

Rolf hatte inzwischen ersten Kontakt mit Thomas’ Freundin aufgenommen. Eine Kosmetikerin wie sich dann herausstellte. Als ob er es gerochen hätte.
Die Freundin allerdings hatte es mehr mit den Haaren als mit der Haut.
Sie wühlte unserem Dietmar den spärlichen Bewuchs durcheinander und empfahl ihm eine andere Grundfarbe.
„So wie er …“, krähte sie und zeigte auf meine eher bescheidene Haarpracht.
„Alles echt..!“, verteidigte ich meine Naturfarbe. Das war wohl ein Fehler, denn jetzt hatte sie einen Grund mir auf die Pelle zu rücken. Sie zerzauste mich und gab pausenlos Ratschläge von sich, wie ich meinen Typ noch besser zur Geltung bringen könnte.
„Aber ich hab ja schon gehört, das hast du gar nicht nötig“, freute sie sich und sah mich mit einer gespielten Verschwörermiene an.
„Alles nur Gerüchte..völlig übertrieben“, versuchte ich zu entkommen.
Da lag ich also doch richtig mit meiner Vermutung. Dietmar hatte geplaudert. Wenn sich diese Geschichte hier herumspricht, dann können wir uns hier nicht mehr sehen lassen. Rolf war scheinbar auch damit beschäftigt Schadensbegrenzung zu üben. Er hatte sich die andere Mitwisserin vorgenommen und verdrehte die Geschichte, dass es eine wahre Freude war. Dabei spielte er eigentlich nur eine Nebenrolle, bei dieser Sache. Aber die hatte es auch schon in sich.

„So auf den ersten Blick hätte ich dir so was gar nicht zugetraut“. Nun flüsterte sie mir schon ins Ohr. Ich verschluckte mich leicht an meinem Bier und musste husten. Das verschaffte mir wieder ein wenig Abstand.
Nun, ich bin wirklich kein Kind von Traurigkeit. Und was das andere Geschlecht angeht, da stelle ich mich eigentlich jeglicher Herausforderung.
Aber in diesem Fall hielt ich es ausnahmsweise für angebracht die schnelle Flucht anzutreten.

Man muss ja nicht jeden Frosch küssen. Und dass sich hinter dieser Erscheinung eine Prinzessin verbarg, davon konnte man wirklich nicht ausgehen.

Dietmar allerdings schien keinerlei Wert auf adelige Herkunft zu legen. Er verfuhr bereits wieder nach seiner alten Devise: Was man nicht schön trinken kann, das muss man wenigstens abfüllen. Der Rest ergibt sich dann schon.

Großzügig verteilte er den hauseigenen selbst gebrannten Alpenwurz. Der staatlichen Aufsicht entzogen, hatten die Destilleure dieses Kräuterschnapses wohl keinerlei Rücksicht auf die vorgeschriebene Höchstoktanzahl nehmen müssen.
Das Zeug löste den Mädels scheinbar den Nagellack von den Fingern.
Thomas hielt mit und die Stimmung schwappte auch bald über.
Eindringlich wies ich Charly auf unsere morgige Tour hin. Abfahrt um acht Uhr.
Rückkehr nach etwa 10 Stunden. Strecke etwa 500 km.
Er nickte nur gelassen und bestellte sich noch ein Bier.

Ich gab Rolf taktische Zeichen und er ging dann auch sofort zum Endspurt über. Leicht beschwingt aber immer noch fähig den aufrechten Gang zu praktizieren, lösten wir uns aus der Gruppe um unser Zimmer zu suchen.
Charly hatte sich ebenfalls zurückgehalten, für seine Verhältnisse jedenfalls und deshalb war er auch noch fähig Abschiedsworte zu nuscheln. Man musste aber wirklich genau hinhören, so richtig akzentuiert kam ihm das nicht mehr über die Lippen.
Aber wer Charly kannte, der wusste … der ist noch nicht einmal richtig warm getrunken. Und wir kannten Charly ziemlich gut.

Die Nacht war kurz und der Frühstücksraum voll. Morgens früh um kurz nach sieben im Bikerhotel.
O-Saft und Rührei. Hat man sonst selten beim Frühstück. Ich jedenfalls. Auch deshalb war meine Laune eigentlich gut. Selbst um diese frühe Stunde.


Kurz vor Toresschluss schlichen dann tatsächlich auch noch Charly, Dietmar und Thomas herein. Dem äußeren Eindruck nach musste es wohl doch noch etwas länger gedauert haben, das gestrige Gelage.
Die Jungs waren auch nicht sehr gesprächig und richtigen Hunger schienen sie auch nicht zu haben. Alkoholkontrollen sind am frühen Montag allerdings keine zu erwarten, deshalb hatten wir diese Sorge schon mal nicht.
Das Wetter allerdings hätte besser sein können. Das ändert sich hier zwar schnell, aber im Nieselregen zu starten ist auch nicht wirklich erbauend.

Es wurden drei Gruppen gebildet. Walter, Rudi und Roger waren die Guides. Roger war irgendwie gestern noch eingetroffen. Eigentlich ein ziemlich gemäßigter Fahrer, aber immer noch einer von der schnellen Truppe.
Wir hatten uns bei Rudi eingetragen und kamen so auf acht Teilnehmer. Außer uns Fünfen war da noch der unglaubliche R1-Rainer und ein freundliches Paar auf 1200er Bandits. Thomas fuhr eine Honda CB 1300.

Eigentlich mag ich diese klassischen Vierzylinder irgendwie. Sowohl die Bandits als auch die Honda sind ehrliche einfache Moppeds. Kein überflüssiger Schnickschnack sondern richtige solide und ausgereifte Motorräder. Naked Bikes im Stil der alten 80er Jahre. Da weiß man, was man hat.
Die leicht gebückte Sitzposition ist nicht mein Fall, aber es gibt scheinbar genug Leute, die damit zurechtkommen. Jeder, wie er es mag.

Es gab keine festgelegte Reihenfolge sondern nur der letzte Fahrer wurde bestimmt. Der Schnellste fährt immer am Schluss. Rainer zog sich widerwillig die gelbe Warnweste an. Die dient hier aber nicht zur Absicherung sondern in der Hauptsache als Orientierung für den Guide. Wer es brauchte, zerrte sich seine Regenkombi über die Klamotten und dann rollten wir vom Hof.
Rudi zeigte sein Wheelie und galoppierte davon. Rainer trieb die Herde vor sich her. Die Jagd auf den Guide war eröffnet.

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aus Sektor....

fährt: Nightster...für die dunkle Seite der Seele....
Neuer Beitrag 13.02.2009 21:13
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so, fertig....wann geht´s weiter ??

Gruß vom stitch...

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Was kann Harley - Davidson dafür, welche Ärsche auf ihr sitzen ?

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Neuer Beitrag 14.02.2009 00:27
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Boah! Jetzt hab ich eckige Augen, vom Lesen....Erstmal gute Nacht! Morgen will ich mehr!

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Geil, es gibt tatsächlich jemanden der alles gelesen hat fröhlich fröhlich fröhlich Respekt großes Grinsen Zunge raus smile

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