Hochinteressant wird der Vergleich der Brennräume:
Foto 1: Unser Early Shovel hat wie alle Prä-Evos eine Kugelkalotte als Brennraum.
Foto 7: Diese hat er unverändert vom Panhead hier im Bild und der wiederum vom Knucklehead geerbt. Im Automobilbau war das bis in die 80er was besonderes, auch "hemisphärischer Brennraum" genannt. Bei den klassischen OHV-US-V8 sogar einzigartig nur im berühmten Chrysler "Hemi" verbaut. Bei den Einzelzylinderköpfen von Motorradmotoren war dieser hochwertige Brennraum hingegen schon immer Standard, weil er sich hier wegen der guten Zugänglichkeit von 4 Seiten mit viel geringerem Aufwand realisieren lässt als in einer Zylinderbank aus mehreren Zylinden nebeneinander, wo sich Stösselstangen und Einlasskanäle bzw. Zündkerzen und Auslasskanäle oder umgekehrt naturgemäß im Weg sind. Der Grundgedanke dahinter war seit den 20ern, mit dieser einen Maßnahme gleich 3 Effekte gleichzeitig zu erzielen:
- Effekt 1: Minimierung des Wärmeverlustes: Von der aufwendig mit Benzin erzeugten Verbrennungswärme soll möglichst wenig durch die Brennraumoberfläche entweichen, damit möglichst viel im Brennraum verbleibende Wärme einen möglichst hohen Verbrennungsdruck und damit Drehmoment erzeugen kann, statt sinnlos die Umgebung zu heizen. Die Grösse des durch eine Fläche entweichenden Wärmestroms hängt natürlich von dem treibenden Temperaturgefälle, aber eben auch von der Grösse der Querschnittsfläche, hier der Brennraumoberfläche, ab, die ihm zur Durchströmung zur Verfügung steht. Also wollte man diese Oberfläche im Verhältnis zum Brennraumvolumen möglichst klein halten. Da eine Kugeloberfläche geometrisch die kleinstmögliche Oberfläche ist, um ein gegebenes Volumen zum umschließen, hat ein Kugelvolumen den geringsten Wärmeverlust. Eine volle Kugeloberfläche konnte man nicht nehmen, da eine zusätzliche kugelige Aushöhlung des Kolbenbodens nur eine lächerlich geringe Verdichtung erlaubt hätte, daher formte man den Brennraum bei flachem Kolbenboden wenigstens als Kugelkalotte (= Teil einer Kugel) aus.
- Effekt 2: Durch die damit zwangsläufig V-förmig abgespreizten Ventilschäfte sind auch zwangsläufig Ein- und Auslasskanal V-förmig abgespreizt, was dem Auslasskanal durch die damit größere Entfernung zum Einlasskanal deutlich erschwert, das angesaugte Gemisch im Einlasskanal aufzuheizen, damit zu verdünnen und damit leistungsmindernd den Sauerstoffgehalt als Reaktionspartner für das Benzin zu senken (Bei Turbomotoren verwendet man aus diesem Grund einen Ladeluftkühler). Zum Vergleich: in für die 60er und 70er typischen OHV-Reihen-oder Boxer-Automotoren (Escort, Kadett, Käfer) sind Einlass- und Auslasskanäle i.d.R. auf der gleichen Seite des Zylinderkopfes, damit die Stösselstangen auf der anderen Seite Platz haben. Das ist thermisch und damit leistungstechnisch natürlich aus den eben genannten Gründen eine Katastrophe.
- Effekt 3: Die V-förmig abgespreizten Ein- und Auslasskanäle erlauben eine strömungsgünstige Kanalführung, weil das Gemisch und das Abgas im Zylinderkopf nicht rechtwinklig "um die Ecke" gezwungen werden müssen, sondern nur eine sanfte Kurve nehmen müssen. Eine rechtwinklige Kanalkurve, wie z.B. im Einlasskanal des BMW-Zweiventilzylinderkopfes bis 96 (dort allerdings, damit die Vergaser nicht nach außen abstehen), erzeugt einen Wirbel im Kanal, der den Kanalquerschnitt wie eine Drossel leistungsmindernd reduziert.
Foto 2: Dem halbkugelförmigen Evo-Brennraum hat Porsche eine einfache gerade Quetschkante (hier rechts senkrecht im Brennraum zu sehen) eingegossen, eine Ergänzung, die ein geschickter Modellschreiner offensichtlich problemlos und damit kostengünstig auch nachträglich in der Holzform des sandgegossenen Shovel-Zylinderkopfes hätte einbauen können. Warum das in den 70ern nicht gemacht wurde, bleibt Harleys Geheimnis (Unwissenheit? Fehlgeleitete Sparsamkeit? Managementversagen? Wir werden es wohl nie erfahren
). Die Vorteile einer Quetschkante sind erheblich bessere Gemischverwirbelung, was zu einer höheren Klopffestigkeit, damit höheren möglichen Verdichtung, höherem Drehmoment, geringerem Verbrauch und geringeren Rohemissionen (damit hätte man den Shovel mit Einspritzung sogar noch Euro-3 -fähig gekriegt) führt. Wer wissen will, wie das alles genau zusammenhängt, kann das in meinen Posts im Thread
Langhuber nachlesen.
Foto 3: Mit dem Aufkommen des 90-oktanigen Benzins in den 50ern wurde eine höhere Verdichtung möglich, die höheres Drehmoment bei geringerem Spritverbrauch erzeugt. Um diese höhere Verdichtung mit den halbkugelförmigen Brennräumen erzeugen zu können, musste man die bis dahin flachen Kolbenböden zu "Domen" hochwölben, die die Vorteile der halbkugelförmigen Brennräume zum großen Teil wieder zunichte machten. Der Brennraum war wieder schlitzförmig wie beim Flathead und nicht mehr kompakt (die Nachteile sind im Thread
Langhuber beschrieben). Außerdem handelte man sich damit eine Materialansammlung ausgerechnet an der heißesten und am schlechtesten gekühlten Stelle des Brennraums ein. Mehr Material dehnt sich bei Erwärmung logischerweise mehr aus, sodass die Gefahr von Kolbenfressern bis hin zu -klemmern auf der Höhe des Kolbenbodens zunahm, sowie eine grössere Kolbenbodenmasse beschleunigend und verzögernd an der Kolbenbolzenlagerung im Kolbenhemd zerrte, was beim Langhuber mit seinem extremen Kolbengeschwindigkeiten besonders fatal ist. Pans und Shovels waren deswegen weder thermisch noch mechanisch vollgasfest. Die anderen Motorenhersteller ausser den Briten lösten dieses Problem durch den einhelligen Übergang zu kurzhubigen Motoren, um die Kolbengeschwindigkeiten bei gleichem Einzelhubraum drastisch zu reduzieren.
Foto 4: Durch die Quetschkante im Evolution-Brennraum wird auch die Verdichtung ohne Klopfgefahr erhöht. Damit kann der Kolbenboden wieder flach gestaltet werden, ein Grund, warum der Evo mechanisch und thermisch erheblich belastbarer ist. Bei unserem Exemplar hier sehen wir keine Ölkohle. Unser FXRT-Kunde hat den Motor also offensichtlich immer sehr schonend warmgefahren, was die Schmierung der Ventilschäfte fast vom Motorstart an sichergestellt und den Verschleiß der Ventilführungen nahezu verhindert hat. Damit konnte kein Öl aus den Rockerboxen durch einen ansonsten durch Warmfahrverschleiss entstehenden Spalt zwischen Ventilschaft und Ventilführung durch den Ansaug - und Abgasunterdruck in den Brennraum gesaugt werden und auf Kolbenboden und Brennraumoberfläche (siehe Foto 2!) Klingeln und Klopfen provozierende Krusten bilden (wieso Ölkrusten Klingeln und Klopfen provozieren, lest Ihr in meinen Posts im Thread
Langhuber) .
Fotos 5+6: zeigen nachträglich ergänzend nochmal besser erkennbar den domförmigen Kolbenboden eines Shovels (daher der Name "Domkolben").
Dieser Beitrag wurde schon 38 mal editiert, zum letzten mal von niterider am 26.02.2017 17:59.