Du zeigst hier die 3 Zündgeraden, deren mittlere (schräge) (bei Dir je eine für halboffene und voll geöffnete Drosselklappe) üblicherweise von Fliehgewichten erzeugt wird, weil die linear zur steigenden Drehzahl ausschwenken. In der Waagrechten davor werden sie mechanisch am Ausschwenken gehindert, mit der Waagrechten dahinter haben sie i.d.R. ab 3000/min Ihren maximalen Ausschwenkwinkel bereits erreicht. Wie Du im Diagramm von Sam70 weiter oben siehst, hat man da schon mehrere
Geraden zu annähernden Zündkurven zusammengesetzt, d.h. man hat sich bei der auf das EPROM zu flashenden Programmierung nicht sonderlich viel Mühe gegeben. Es sind also nur vier Punkte der Zündkurven primitiv mit simpel programmierbaren Geraden verbunden worden, aber immerhin schon deutlich besser als die einzige schräge Gerade in Deinem Diagramm.
Damit der EPROM aus den Eingangsparametern Drehzahl (und wenn gemessen und angeschlossen, Drosselklappenwinkel) den dafür erforderlichen Zündzeitpunkt berechnen und einstellen kann, muss man von Punkt zu Punkt nur eine simple Geradenfunktion programmieren. D.h. bei Deinem Diagramm eine Geradenfunktion, beim Diagramm von Sam70 drei. Das ist in 10 min programmiert. Die Steigungskonstante und die Anfangs- und Endkonstante jeder Geradenfunktion muss der Programmierer so wählen, dass die Abweichungen zur gemessenen Zündkurve im Rahmen bleiben. Je größer die Abweichung, desto mehr Gefahr für Drehmomenteinbruch und Klingeln und Klopfen bei Spätzündung wie bei Frühzündung. Und das auch noch so, dass es bei Vollast kein Klingeln oder Klopfen gibt, um Teillast zu optimieren. Das meinte ich oben mit „mutige“ Auslegung.
Bei den Austauschzündanlagen für ZweiventilBMWs und alte Engländer wird ein viel größerer Programmieraufwand getrieben. Hier misst man für die jeweilige Tuningkonfiguration bzw. Teillastzündkurve viel mehr der einzelnen Punkte auf dem Prüfstand. Dann muss man - damit der EPROM den erforderlichen Zündzeitpunkt berechnen kann
- im kostengünstigen Fall diese vielen Punkte mit - gleich vielen minus eins - Geradenfunktionen verbinden
- im optimalen aber kostspieligen Fall mithilfe numerischer Mathematik je nach Anzahl der Punkte eine gleiche Anzahl von gekoppelten Polynomen durch die Punkte biegen, um eine stetige Zündkurve (d.h. ohne Knicke) zu Programmieren. Das ist dann schon Ingenieursaufwand, d.h. der Ingenieur muss diese Mathematik auch auf den EPROM programmieren können oder ich brauche einen Ingenieur und einen Programmierer. Dieses „Kurve über Punkte - Biegeverfahren“ der numerischen Mathematik nennt man „Spline Approximation“ (bei Interesse bitte gugeln
), auf Deutsch „Spantenbiegeverfahren um das Gerippe eines Holzschiffes“, weil genau das mit den Polynomen virtuell simuliert wird. Die einzelnen Rippen des Gerippes des Schiffs sind die gemessenen Punkte der Zündkurve, die Spanten sind die Polynomkette, die um das Gerippe gebogen wird.
Der EPROM muss dann für jeden aufgrund der Eingangsparameter zu ermittelnden Zündzeitpunkt sich mit diesen beiden Parametern durch die Vielzahl von Geradenfunktionen bzw. Polynomen zwischen den gemessenen Punkten rechnen, auch dann, wenn er zufällig genau einen der gemessenen Punkte trifft.
Das das mit den Polynomen sehr viel Entwicklungsaufwand erfordert, kannst Du Dir sicher vorstellen: Bei meiner ZweiventilBMW hat eine solche Nachrüstzündanlage schon in den 2000ern viele hundert Euronen gekostet. Es erstaunt mich daher immer wieder, welch vergleichsweise primitives Zeuchs da im Harley-Tuningbereich auch heute noch angeboten und von „namhaften“ Tuningfachbetrieben auch noch verbaut wird. Was Sam70 da oben schildert, das VOES einfach abzuklemmen statt, zugegeben aufwendig, anzupassen, ist dann wohl der Gipfel der Kostendrückerei (oder gar Stümperei?
) . Außer der Kunde will es so, um das klassische „Potatoe“ zu hören.
Das von Sam70 Geschilderte Abklemmen des VOES statt Anpassung entspricht bei Twin Cam dem reinen Messen und Mappen der VE und AFR-Tabelle ohne Mappen der Zündzeitpunkte, weil Harley die bekanntlich gar nicht freigibt. Deswegen werden die auch nur von den Harley-Tuningtools gemäß der jeweiligen Tuningstufe mitangepasst ohne das das groß auffällt, da ja nicht offengelegt. Da aber bei Bohrungsvergrösserung mehr Frühzündung erforderlich ist und bei Füllungsvergrösserung = VE-Erhöhung = Verdichtungsdruckerhöhung durch schärfere Nockenwellen in den Teillastbereichen, wo gemäß der Nockenkurve verstärkte Resonanz auftreten soll, weniger Frühzündung erforderlich ist, ist das Nichtneumappen der Zündkurven bei Harleyfremden Tools eben Pfusch, der sich wie oben analog zum Abklemmen oder nicht-Anpassen des VOES auswirkt. Der Motor ist bei Vollastbeschleunigung („WOT“) zwar stärker, reagiert im Teillastbereich (Drosselklappe nur teilweise geöffnet) aber zwangsläufig wegen zu später Zündung träger auf das Anzupfen der Drosselklappe als der Serienmotor, weil eben die Zündzeitpunkte für den Teillastbereich nicht mehr stimmen. Deswegen kriegen die einschlägigen Kunden ja auch immer nur die Vorher - Nachher - Vollastkurve für das Drehmoment. Seriös wäre es, für jede 5 Grad Drosselklappenwinkel eine Vorher - Nachher - Drehmomentkurve zu messen und übereinander zu legen. Dann würde der Kunde bei Fremdsoftware aber sehen, das gegenüber „Vorher“ die „Nachher“ Kurvenschar zur X-Achse am unteren Rand zusammengedrückt ist und eine Riesenlücke zur erhöhten Vollastdrehmomentkurve klafft, die im Serienzustand noch mit Zündkurven belegt ist. Der größere Abstand der Drehmomentkurven pro 5 Grad Drosselklappenwinkel offenbart eben ein Drücken des Teillast-Drehmoments nach unten.
Ich vermute, ohne dass es bisher jemand sehen konnte, das der hier auch schon diskutierte „Don Performance“ die Zündtabelle von Harley gehackt hat und damit sein sensationelles Ansprechen des Motors auf geringstes Anzupfen der Drosselklappe erreicht. Bei den TC und M8 mit Drosselklappenstepmotor wahrscheinlich auch noch die gleichfalls von Harley versteckten Tabellen für die Koppelung mit dem Gasdrehgriffwinkel, weil hier Harley Drehmomenteinbrüche im Anstieg der Drehmomentkurven bei Teil- und Vollast aus Abgaswertgründen programmieren musste. Für Hersteller wie Indian ist das für Euro 5 längst offengelegt. Beide, Harley und Don Performance, sind aus ihren jeweiligen Gründen (Harley- wegen Einbrüchen im Drehmomentkennfeld - i.e. Kurvenschar der Drehmomentkurven- gegenüber seilzugbetätigten TC-Drosselklappen, Don Performance wegen Hacking) an einer Offenbarung der jeweiligen Machenschaften naturgemäß nicht interessiert. Das hinter „Don Performance“ ein IT-Spezialist im Einmannbetrieb steckt, spricht aber dafür.
So, der Shitstorm kann wieder beginnen. Da ich für eine ähnliche Analyse in einem TC 110 - Tuningfred schon einen üblen Shitstorm kassiert habe, muss ich mir das nicht nochmal antun und bin ab hier raus. Hat schon seinen Grund, warum Harley ab TC eigene Mappings mit Zugang über eigene Sticks anbietet. Wer das nicht glauben mag, braucht mein Geschreibsel ja nicht zu lesen. Aber Aufregung über das, was man nicht lesen oder hören mag, nennen einschlägige Fachleute „Behebung der kognitiven Dissonanz durch Abwertung der Informationsquelle“. Das muss ich mir nicht mehr antun