Ich bin bei der Frage nicht mehr so klar positioniert wie früher, muss ich zugeben. Ich habe das mit den Elektromotorrädern bzw. allgemein mit Elektrofahrzeugen eigentlich immer so gesehen wie
@motorcycle boy und sie alleine wegen der mangelnden Reichweite, den doch recht langen Ladezeiten und den nicht vorhandenen Lademöglichkeiten in bestimmten Gegenden schlichtweg abgelehnt.
Jetzt hat es sich aber ergeben, dass ich Anfang des Jahres eine Fotovoltaikanlage auf mein Haus und bei der Gelegenheit gleich eine Wallbox in der Garage installieren ließ. Ich hatte zwar nicht vor, eines dieser "ökologisch fragwürdigen" und völlig überteuerten Elektroautos zu kaufen, aber die damals noch angebotene staatliche Förderung von 900€ hat die Wallbox so sehr vergünstigt, dass man getrost von einer Milchmädchenrechnung sprechen konnte. Tja, was soll ich sagen? Wenn so eine Wallbox erst im Haus ist, die noch dazu mit "kostenlosem" Sonnenstrom versorgt wird, kommt man ins Grübeln. Und dann war da auch noch die Tochter, die sich dank frisch erworbenem Führerschein jetzt zusätzlich um unser Familienauto prügelt. Nach einiger Recherche habe ich mich tatsächlich für einen 5 Jahre alten, gebrauchten BMW i3 mit geringer Laufleistung und günstigem Preis entschieden (ca. 17000€ ohne Förderung). Das Fahrzeug hat zwar nur einen kleinen Akku (ca. 17 kWh) und daher eine geringe Reichweite (ca. 120 km), aber gerade das macht zusammen mit der nachhaltigen Produktion im BMW Werk in Leipzig den ökologischen Fingerabdruck dieses Fahrzeugs zu besonders klein. Der i3 wiegt dank Leichtbauweise (Aluminium, CFK, Kunststoff) trotz der schweren Batterie weniger als 1300 kg, die Innenraumverkleidungen sind aus schnell nachwachsenden Rohstoffen, die Aussenhaut besteht aus durchgefärbtem Kunststoff mit einem hohen Anteil an recycelten PET Flaschen. Und die Reichweite von 120 km ist für den täglichen Bedarf vollkommen ausreichend. Unser Verbrenner wird mittlerweile kaum mehr genutzt, weil jeder nur noch "Emil" fahren will. Das Ding hat reichlich Platz für Passagiere, geht ab wie Schmitz' Katze und spielt seinen Kostenvorteil dank Fotovoltaikanlage und minimaler Wartungskosten geradezu unverschämt aus. Das letzte Mal, dass ich eine Tankstelle aufgesucht habe, war vor gut zwei Monaten zur Luftdruckkorrektur. Ich hätte nie gedacht, dass die Elektromobilität für mich so gut funktioniert.
Aber, und das ist ein dickes
ABER:
Das gilt nicht für jedermann und das gilt auch nicht für jedes Elektrofahrzeug. Wer kein eigenes Haus mit Fotovoltaikanlage oder nicht wenigstens einen Stellplatz auf dem eigenen Grundstück hat, für den sieht die Rechnung ganz anders aus. Wer auf öffentliche Ladepunkte angewiesen ist, wird deutlich weniger Spaß haben mit Elektromobilität und mittlerweile dank unverschämt steigender Strompreise auch keine Kostenvorteile mehr. Wer einen fetten SUV mit 120 kWh Akku fährt, kann zudem auch kaum ökologische Vorteile für sich in Anspruch nehmen. Batterieelektromobilität kann also funktionieren, wie ich am eigenen Leib erfahren habe. Nur gilt das nicht für jedermann. Und genau da liegt der Denkfehler unserer Politiker. Ich bezweifle, dass in naher Zukunft nur noch BEV verkauft werden können. Für einen großen Teil der Bevölkerung wird die Nutzung eines BEV nicht in Frage kommen. Und die Infrastruktur, die für eine flächendeckende Nutzung von BEVs erforderlich wäre, ist bisher auch nicht in Sicht - obwohl da neueste Beschlüsse aus dem BMV in der Hinsicht eventuell eine Änderung herbeiführen könnten.
Und was ist jetzt mit Elektromotorrädern? Meine Rocker C mit Stromantrieb? Nein, danke. Das würde - genau wie von
@motorcycle boy geschrieben - jeden Spaß an diesem Motorrad vegällen. Ich WILL da den Verbrennersound, das hakelige Schaltgetriebe, die schlecht ansprechende Federung, die mauen Bremsen - das gehört bei diesem Motorrad einfach dazu. Ganz anders sieht das aus, wenn ich meine GS vor Augen habe. Die lebt davon, dass ich trotz Gepäck mit minimalem fahrerischen Aufwand schnell über Landstraßen und um Spitzkehren zirkeln kann. Da würde mich ein Elektroantrieb mit starker Rekuperation nicht stören. Im Gegenteil, das könnte sogar tierischen Spaß machen. Allerdings sind Batterien, die eine zuverlässig nutzbare Reichweite von mindestens 500 km bieten würden viel zu schwer, um das in naher Zukunft ernsthaft in Erwägung ziehen zu können. Also kommt Elektromobilität trotz des durchaus vorhandenen Reizes für Tourenmotorräder in absehbarer Zukunft nicht in Frage. Bleibt noch der urbane Bereich: Ein elektrisch angetriebener Motorroller wie der
BMW CE 04? Ja, warum denn nicht? Was mit unserem i3 mit vier Rädern klappt,
funktioniert garantiert auch mit zweien.
TL;DR:
Elektromotorräder sind derzeit nicht für jedermann tauglich. Es gibt aber durchaus Nischen, wo diese Antriebsart sinnvoll sein kann. Es wäre falsch, nicht offen zu sein für neue Konzepte.
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Mein Motorrad besteht aus mattschwarz lackiertem Stahl, glänzendem Chrom und ein wenig Gummi an den richtigen Stellen...