Krass oder putzig? Eine aktuelle Mitteilung des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) anlässlich des morgigen "Tags des Lärms":
"Am 24. April ist Tag des Lärms
Initiativen gegen Motorradlärm: Zum Tag des
Lärms der Auspuff-Mafia den Kampf angesagt
Ein Drittel ist zu laut: Mutwillige Verlärmung durch Motorrad-Zubehörauspuffe
/ Sie überschreiten die Grenzwerte und werden von der
Polizei kaum beanstandet / Naherholungsgebiete und landschaftlich
reizvolle Gegenden leiden besonders unter den Lärm-Rowdies
Berlin/Stuttgart. Lärm ist das Umweltgift Nummer 1 – sagt das Umweltbundesamt.
Lärm ist für Stress und für viele Herzinfarkte und auch
Todesfälle verantwortlich. Und obwohl Jahr für Jahr Millionen Euros in
Lärmschutzmaßnahmen investiert werden, gibt es einige Bereiche, in
denen mutwilliges Verursachen von Lärm durch unklare und handwerklich
schlechte Gesetzgebung weiter gefördert wird. Auf einen solchen Skandal
verweisen die Vereinigten Arbeitskreise gegen Motorradlärm (VAGM), die
zusammen mit dem Arbeitskreis Motorradlärm des Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND) die Informationsseite
www.motorradlaerm.de im Internet
betreiben.
Der BUND, die Polizei und das Umweltbundesamt haben als Hauptursache
des Motorradlärms die speziellen Zubehörauspuffe identifiziert. Diese im
Handel erhältlichen Bauteile verfügen zwar über eine Allgemeine Betriebserlaubnis
aus einem anderen EU-Land (EU-ABE) – sind aber in den weitaus
meisten Fällen weitaus lauter als es die EU-Grenzwerte und die Zulassung
für den deutschen Straßenverkehr erlauben. Holger Siegel, Sprecher des
BUND Arbeitskreises Motorradlärm: „Diese Auspuffe bekommen irgendwo
in der EU ein Prüfzeichen und sind dann mehr oder weniger unwiderruflich
im Verkehr. Eine Auspuff-Mafia nutzt ungeniert die Lücken der Gesetzgebung
– und die Tatsache, dass solche Prüfzeichen-Vergehen so gut wie
nicht verfolgt werden.“ Zum Tag des Lärms rufen der BUND und die VAGM
dazu auf, „den Sumpf der lauten Tröten auszutrocknen“: „Es kann nicht
sein, dass Lärmschutz das Gebot des Tages ist, aber gleichzeitig Anwohner
beliebter Motorradstrecken in den Naherholungsgebieten und Naturparks
Lärmterror erfahren, der nerv zehrender sein kann als Lkw- und Autobahnverkehr:
weil lauter, modulierend – und am falschen Ort.“
Beispiel Südschwarzwald – eine Berglandschaft von einzigartiger Schönheit
mit vielen kurvenreichen Straßen. Bei gutem Wetter verwandelt sich dieses
Naturparadies vom Erholungsgebiet in ein Eldorado für Motorradfahrer,
darunter zahlreiche Raser und Lärmer. Bis zu zehn Stunden täglich ist
manches Tal verlärmt. Mehrere Bürgerinitiativen bemühen sich seit Jahren
um eine Veränderung der Situation: Ihrer Einschätzung nach fahren rund ein
Drittel der motorisierten Zweiräder mit zu lauten Auspuffen. Die Fahrer nutzen
den Trick mit der EU-ABE, um ihren ganz speziellen „Sound“ spazieren
zu fahren – Polizei und Behörden sehen dem Schauspiel machtlos zu und
spielen die Zahl der zu lauten Motorräder auf ein bis zwei Prozent herunter.
Doris Spychalski, Sprecherin der Bürgerinitiative Präg gegen Motorradlärm
und -raserei, hofft dennoch auf Unterstützung von Seiten der Politik. Immerhin
die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative
gestartet und damit das Problem erstmals bundesweit thematisiert.
Spychalski: „Das Problem erkennen genügt aber nicht – wir brauchen
dringend Hilfe vor Ort. Der Lärm zerstört die Lebensqualität von Anwohnern
und Erholungssuchenden.“
„Ein viel zu großer Teil der Käufer und Fahrer von Motorrädern will es laut
– das ist das Problem“, sagt Dr. Werner Reh, Verkehrsexperte des BUND
Bundesverbandes in Berlin: „Wenn Deutschlands größter Harley-Davidson-
Händler in Frankfurt zugibt, dass jeder zweite Motorrad-Käufer bei ihm
auch noch einen lauten Auspuff dazukauft, dann zeigt das, dass sich eine
erschreckende Moral in der Bikerszene breit gemacht hat und auch, dass
es dringenden politischen Handlungsbedarf gibt,“
Die Lärm-Normen, nach denen die Motorräder zugelassen werden, werden
durch die die Hersteller und Hersteller-Verbände stark beeinflusst – und von
der starken Motorradlobby in den Reihen der Politiker nicht gebremst. Das
Motorrad ist schon nach der aktuellen Norm das lauteste Verkehrsmittel
auf den Straßen. Fakt ist aber, dass kaum ein modernes Motorrad ohne
elektronisch gesteuerte Auspuffklappen jemals eine Zulassung bekommen
würde. Diese Auspuffklappen sind auf den Prüfzyklus ausgerichtet und
sorgen dort für die Einhaltung der Grenzwerte. Jeder kräftige Beschleunigungsvorgang
im Alltag führt jedoch bereits zu höherem Lärm als offiziell
erlaubt. Und er wird noch viel lauter, wenn der Endschalldämpfer herausgeschraubt oder ein Zubehörauspuff mit EU-ABE montiert wird. Schnell sind
diese Kräder mehr als doppelt so laut wie zulässig. Der BUND fordert die
Polizei auf, alle Motorräder deren Auspuffe manipuliert sind und dadurch die
Betriebserlaubnis erloschen ist, sofort aus dem Verkehr zu ziehen.
Für den Sprecher des Arbeitskreises Motorradlärm, Holger Siegel, selbst
Motorradfahrer, ist der Umgang von Politik und Behörden mit dem Thema
Lärm reine Heuchelei und ein Skandal: „Statt Lärm zu kartieren, müsste vor
allem vermeidbarer Lärm bekämpft werden – und zwar beim Verursacher,
nicht in Form von Schallschutz-Fenstern bei den Betroffenen. Die deutsche
Politik beschließt Ausnahmen für Sportwagen und lässt die Zubehörauspuff-
Mafia bei Autos und Motorrädern gewähren.“
Die Folgen des Rasens und Lärmens sind verheerend – und reichen von
vielen Unfalltoten durch Rasanzunfälle an den beliebten Raserstrecken bis
hin zu einem Todesfall, der unter dem Begriff „Ölflaschen-Mord“ Eingang
in die Schlagzeilen gefunden hat: 2011 schlidderte ein Motorradfahrer im
Allgäu auf einer Ölspur in den Tod. Die Polizei fahndet Medienberichten
zufolge nach einem „Motorradhasser“,
der die Spur mutwillig gelegt haben
soll. Die VAGM und der BUND distanzieren sich auf ihrer Internetseite entschieden
von diesem Mordanschlag. Aber sie geben zu bedenken: Nie wird
in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, warum es denn „Motorradhasser“
überhaupt geben sollte. Für die VAGM und den BUND-Arbeitskreis
wird mit dieser Tat deutlich: Das Problem, das die Behörden gerne verharmlosen,
hat mittlerweile bedenkliche Dimensionen angenommen."
Ende des Zitats.