So, nun bin ich seit knapp einer Woche stolzer Besitzer der Chieftain. In dieser Woche bin ich natűrlich viel gefahren und habe mich intensiv mit dem Baby auseinander gesetzt. Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Das Fazit ist natűrlich subjektiv und entspricht meiner persönlichen Meinung. Einen Vergleich mit der Street Glide maße ich mir an, da ich die Street Glide diverse Male in den USA ausgeliehen hatte. Das letzte Mal hatte die „Probefahrt“ 5.000 km von Chicago nach Santa Monica gedauert.
Motor
Wenn man eine Indian fährt, sollte man nicht erwarten, dass sie sich wie eine HD fährt, nur eben besser oder schlechter (je nachdem, wie man der Marke Polaris-Indian gegenűber steht). Sie fährt sich anders. Wer im Stand gern durchgeschűttelt wird, und wem die Twin Cam B Motoren nicht genug vibrieren, der wird vom Thunderstroke enttäuscht sein. Er blubbert vor sich hin, ohne große Emotionen zu zeigen. Leider. Auch nach meinem Geschack könnten es etwas mehr good vibrations sein. Entschädigt wird man dann, wenn sich die Fuhre in Bewegung setzt. Der Motor nimmt sofort Gas an und der Durchzug aus dem Tourenkeller ist enorm. Mit Werks-Mapping läuft der Thunderstroke schön rund und wird auch bei Stop-and-Go nicht zu heiss. Optisch finde ich den Thunderstroke auch sehr gelungen. Fűr mich geht der Punkt an Indian.
Schaltung
Die 2014er Modelle sollen bei Indian recht hakelig gewesen sein. Die 2016er schaltet super. Aber einen Tourer ohne Schaltwippe auszuliefern geht gar nicht. Punkt an HD.
Sound
Wie bei der Street Glide ist auch der werksmäßige Auspuff der Chieftain stark verbesserungsbedűrftig. Wenn man hinter der Chieftain steht, ist der Sound eigentlich gar nicht schlecht. Ein recht lautes und tiefes Blubbern. Sitzt man auf dem Bike hört man aber fast gar nix mehr. Im Zubehör gibt es zum Glűck schon einige zugelassene Alternativen: J&H, Remus und V Performance (eine Kreation des schweizer Importeures). Ansonsten bietet Indian auch selbst mit dem Stage 1 und Stage 2 einen nicht-zugelassenen Auspuff mit gutem Sound fűr recht kleines Geld. Interessanterweise weden die Tűten dann gleich mit Karte zur Softwarekalibrierung geliefert. Mal gucken, ob ich mir das Klappengerűmpel noch mal antuen möchte. Punkt ist unentschieden.
Fairing
Das fiese Aussehen der Batwing-Verkleidung gefällt mir eigentlich besser als das der Chieftain. Diese punktet dafűr mit in der Fairing integrierten Blinkern. Der große Pluspunkt der Indian ist die höhenverstellbare Scheibe. Ich bin 182 cm groß, und habe auf der Street Glide ab ca. 100 km/h sehr unangenehme Verwirbelungen um den Helm. Ab ca. 140 km/h wird es dann so schlimm, dass ich kaum noch klar gucken kann. Kein Spruch. Ganz frei von Verwirbelungen ist die Chieftain zwar auch nicht, die Scheibe läßt sich aber je nach Geschwindigkeit gut einstellen. Klarer Punkt an Indian.
Amaturen
Kommen bei der Indian ab Werk in Chrom (außer bei der Dark Horse). Ein Umbau der Street Glide Amaturen kostet nachträglich knapp 1 kEUR. Geblinkt wird bei Indian nur links, der Tempomat sitzt rechts. Ich persönlich finde die Harley-Lösung mit den beidseitigen Blinkschaltern besser. Reine Geschmacks- und Gewöhnungssache. Alle Schalter sind bei der Indian gut zu erreichen. Das ist bei der Street Glide aber auch so. Wegen dem Chrom geht der Punkt fűr mich an Indian.
Mäusekino
Es heisst immer, dass das Infotainment-System bei HD nicht intuitiv zu bedienen ist. Dem kann ich so nicht zustimmen. Habe noch nie die Bedienungsanleitung gelesen, bin aber immer gut klargekommen. So ist es auch bei der Indien. Anders gelöst, aber alles ohne Probleme auffindbar. Wie bei der Street Glide gibt es auch bei der Indian rechts in der Fairing ein Fach fűr den Ipod mit USB-Anschluß. Ich habe noch einen alten Ipod Touch der ersten Generation. Der wird schon seit langem nicht mehr von Apple unterstűtzt, und die neueste IOS Version ist 3.sonstwas. Die Street Glide hat das nie interessiert, die hat den Ipod immer abgespielt. Nicht so die Indian. Diese erkennt den alten Ipod nicht. Auch mein Android-Telefon wird am USB-Kabel nicht erkannt (wie bei vielen Autoherstellern auch). Zum Glűck besteht bei der Indian noch die Möglichkeit das Telefon per Bluetooth zu verbinden. Die Verbindung ist in wenigen Minuten aufgebaut und die Musik dudelt. Nachteil ist, dass man űber Bluetooth zwar innerhalb einer Playlist vor- und zurűckspulen kann, nicht aber die Playlist wechseln kann. Dies geht dann nur űber das Telefon selbst. Um die Funktionalität mit Bluetooth zu erhöhen, kann man, wenn man im richtigen Land wohnt, eine App namens Pandera aufs Telefon laden. Die soll dann die Funktionalität per Bluetooth erhöhen. Ist in Deutschland aber leider nicht verfűgbar.Ich hatte mir mit Absicht noch eine 2016er Chieftain gekauft, weil ich den 7“ Touch Screen in den 2017er Modellen grotte häßlich finde. Das Navi in der 2016er vermisse ich űberhaupt nicht, weil ich nur mit dem Garmin Montana navigiere. Fűr mich geht der Punkt Mäusekino daher unentschieden aus.
Sicherheit
Hier ist mir wirklich die Kinnlade runtergefallen. Ein großer Tourer wie die Chieftain wird werksmäßig ohne Alarmanlage ausgeliefert!!! Da bin ich nicht einmal drauf gekommen beim Dealer nachzufragen. Ist aber so. Das einzige mechanische Schloß ist das Lenkerschloß. Dafűr brauchen Profis wenige Sekunden. Der Ignition Knopf ist bei Indian nicht abschließbar. Knopf drűcken, Blinker-Knopf mittig 10 Sekunden gedrűckt halten, Standard-Pin mit dem Blinker eingeben (ich gehe mal davon aus, dass Profi-Diebe den Standard Pin von Indian auf jeden Fall kennen), Motor starten und Tschűss. Weg ist das Teil. Fűr Indian-Besitzer ist die Eingabe eines individuellen Pins also zwingend notwendig. Die Alarmanlage ist natűrlich softwaremäßig bereits an Bord. Freischaltung und FOB mit Bedienknöpfen läßt Indian sich mit EUR 75,-- bezahlen. Frechheit. Punkt an HD.
Gabel
Das einzige Teil am ganzen Bike, dass ich bei Indian nicht leiden mag. Die Gabel ist nicht gecovert wie bei der Street Glide. Was da aus der Fairing rauskommt sieht echt mikrig aus. Die Indian Gabel hat einen Durchmesser von 46 mm, 3 mm weniger als die Street Glide. Ob die Gabel spűrbar weniger steif ist, kann ich aus der Erinnerung nicht sagen. Dafűr műsste man beide Bikes direkt nacheinander fahren. Schwammig fährt sich die Indian nicht. Die Gabel ist komfortabel abgestimmt und schaukelt sich auch bei kurzen Bodenwellen nicht auf. Wegen dem Cover Punkt an HD.
Hintere Dämpfer
Die Chieftain ist hinten nicht aus optischen Grűnden tiefergelegt wie die Street Glide. Die Federung ist per Luftpumpe auf die individuellen Bedűrfnisse einstellbar und schaukelt sich auch bei kurzen Bodenwellen nicht auf. Das Hinterrad bleibt stets am Boden. Wesentlich komfortabler als die Street Glide. Punkt an Indian.
Koffer
Die Zentralverriegelung der Indian-Koffer sind ein nettes Gimmick, welche das Leben leichter machen. Sicher nicht lebenswichtig, aber praktischer als immer auf- und zuzuschließen. Ansonsten fallen mir vom Volumen und der Verarbeitung keine großen Unterschiede zur Street Glide auf. Die Indian-Koffer sind mit zwei Schnellspannern in sekundenschnelle vom Bike demontiert und....ja, hier kommt noch mal die Zentralverriegelung ins Spiel... Die Schlösser werden nämlich per Kabel angesteuert. Die Kabel sind lang genug, dass die Koffer ein paar cm vom Bike weggenommen werden können, um dahinter rumzufummeln, aber nicht lang genug, um die Koffer neben dem Bike auf den Boden zu stellen. Will man also schnell mal eben was machen, braucht man eine zweite Person, welche den Koffer festhält. Sollen die Koffer ganz abgebaut werden, muss man erst auf beiden Seiten die Verkleidungen unter dem Sitz entfernen. Dort ist der Stecker fűr die Kabel versteckt. Da ist noch gewaltig Luft nach oben bei Indian. Auch das Anbringen der Verkleidungen ist recht fummelig.
Sitz
Die Indian hat einen Sitz aus echtem Leder, welcher sehr gut verarbeitet ist. Street Glide-Piloten műssen dafűr bei Mustang und Co. noch mal gut 600 Euronen auf den Tisch legen. In Sachen Komfort tun sich meiner Meinung nach die Fahrer-Sitze der Indian und der Street Glide nichts. Habe bei beiden auch nach längeren Fahrten kein Aua am Popo. Anders sieht es da beim Sozius-Sitz aus. Dieser fällt ja bei der Street Glide nach hinten hin aus optischen Grűden ab. Bei der Chieftain ist das Sitzbrötchen durchgehend 13“ breit und dick gepolstert. Meine Sozia sagt Daumen hoch. Wegen Echtleder und Sozius-Sitz Punkt an Indian.
Abnehmbare Sissy Bar
Bei der Street Glide muss man zusätzlich zur Sissy Bar noch das Montagekit kaufen. Dies fällt bei Indian weg. Trotzdem sind die Gesamtkosten gleich. Die Arretierung der Sissy Bar ist bei HD űber jeden Zweifel erhaben. Runterdrűcken, einrasten und der Bajonettverschluss zur Sicherung schnappt zu. Das ist wirklich Quick Release. Das geht bei Indian etwas primitiver. Die Sissy Bar wird mittels zweier Hebel arretiert. Diese rasten aber nicht ein, sondern werden pro Seite durch eine Madenschraube gesichert. Und....richtig....um an die Schrauben ranzukommen, műssen die Koffer ab. Also nicht wirklich Quick Release. Von der Verarbeitung und den Abmessungen tun sich beide nichts. Punkt an HD.
Frontfender
Bei der Chieftain Indian-typisch geschwungen und sehr ausufernd. Optisch nicht unbedingt mein Geschmack, schűtzt aber super bei Regen. Zum Glűck wächst auch bei Indian die Customizer-Szene und in den USA gibt es schon recht viele Austausch-Fender. Da werde ich mich wohl mal bedienen műssen. Den Frontfender der Street Glide finde ich auch nicht gerade pralle, trotzdem Punkt an HD.
Rűcklicht/Blinker-Kombi
Ich steh ja eher auf 3-in-1, auch wenn die werksmäßige Kombi der Street Glide häßlich ist. Alternativen gibts im Zubehör ja genug. Die Chieftain ist auch nicht hűbscher, nur Alternativen sind mir noch nicht bekannt. Punkt an HD.
Garantie
5 Jahre bei Indian, 2 bei HD. 3 Jahre extra bei HD kosten 500 Euronen. Punkt an Indian.
Anschaffungskosten
Optisch kostet die Chieftain ca. 1.500,-- Euronen mehr als die Street Glide. Dafűr hat man dann aber 5 Jahre Garantie, Echtledersitze und Chrom-Amaturen. Extras, fűr die man bei HD/Mustang noch einmal ca. 2.000,-- Euronen berappen muss. Von Polaris bekommt man ausserdem noch einen 1.500,-- Euronen Warengutschein obendrauf. Das fehlende Navi der Chieftain verrechne ich mal mit der verstellbaren Scheibe und der Zentralverriegelung der Koffer.
Fazit
Die Chieftain ist ein super Tourer, bei dem Polaris an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern muss. Da hat HD halt 50 Jahre mehr Erfahrung in der Tasche. Beim Motor hat Polaris fűr mich den besseren Job gemacht. Zumindest im Vergleich zum Twin Cam. Wenn man es nicht selber kann, muss man halt jemanden Fragen, der sich damit auskennt (SwissAuto, und wenn man das nötige Kleingeld hat, dann kauft man die eben gleich mit). Bin gespannt wie sich da der Milwaukee 8 schlägt, insbesondere in der europäischen Abstimmung.Meine Harleys liebe ich trotzdem und bin froh, dass ich nun die Qual der Wahl habe. Műsste ich mich im Moment fűr ein Motorrad entscheiden, wűrde es wohl eher die Chieftain werden.
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Erst wenn die letzte [...] Tankstelle boykottiert wurde, werdet ihr merken, dass man bei Greenpeace nachts kein Bier kaufen kann - LKK
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Stefan Breakout am 05.09.2016 16:46.