Ich wurde hier im Januar mal gebeten, ein kleines Review der Street Rod zu geben.
Optik
Rein optisch gesehen ist die Harley erst mal sehr schön. Sehr prominent erscheint der Tank in Tropfenform, wobei sich der Harley-Schriftzug sehr dezent in den Hintergrund spielt.
Es findet sich an einigen Stellen die Logo-Plakette wieder. Wobei die Street Rod eigentlich noch viel weniger aussieht, wie eine typische Harley.
Vom Stil ist dabei eher ein Naked Bike mit V-Twin herausgekommen. Das kann gefallen, wird den
Was mir persönlich nicht gefällt, sind die Lenkerendenspiegel. Die sind zwar eigentlich schick, bringen aber ein optisches Ungleichgewicht in die Front. Wer sie sieht, weiß was ich meine.
Wertigkeit
Man hat sich wahrscheinlich im Rahmen des Budgets Mühe gegeben, um den Motor herum ein erträgliches Erscheinungsbild zu schaffen.
Schalt und Kupplungshebel sind nicht verstellbar und wackeln ein wenig in ihrer Halterung herum. Das gibt einem dann schon manchmal das Baumarkt-Roller-Feeling, aber mehr war bei dem Preis wahrscheinlich nicht drin.
Am Tank gibt es eine sichtbare, etwas unschöne Schweißnaht, die fällt aber erst beim 2. oder 3. Hinschauen auf. Insgesamt eher durchwachsen aber verständlich.
Schlimm ist auch das Heck eine unglaublich hässliche Plastik-Konstruktion. Zum Glück gibt es mittlerweile von vielen Herstellern "Fender-Eliminator"-Kits.
Der Kühler in der Front ist auch so ein Plastik-Konstrukt, was man am liebsten demontieren würde.
Technik
DIe Alarmanlage war für mich ein Novum und man müss sich erst einmal daran gewöhnen, dass es ständig piepst und blinkt so sehr, dass ich sie eigentlich bald entfernen würde. Der FOB (Transponder) wird manchmal nicht erkannt, selbst wenn er direkt vor dem Zündschloss baumelt.
Das Tacho-Kombiinstrument zeigt alle Basis-Daten an: Geschwindigkeit, Öl, Alarm, Blinker usw. Das eingearbeitete Digital-Display zeigt wahlweise: Gesamtkilometer, Tageskilometer 1 und 2, Uhrzeit, RPM und Gang.
Eine Tankanzeige vermisst man, erst wenn der Tank allmählich leer wird, also bei unter 3 Litern ca. leuchtet die Tankanzeige auf und das Display zeigt die seitdem gefahrenen Kilometer an.
Mit Handschuhen lässt sich der winzige Knopf für das Display übrigens äußerst schlecht umschalten und schon gar nicht während der Fahrt.
Ansonsten fehlt eigentlich nichts. Die Reduktion aufs Wesentliche macht nach ein paar Runden Sinn. Was will man auch mit nem TFT-Display, Fuel-Mappings. Alles bullshit.
Ärgerlich ist, dass die Batterie relativ schlecht erreichbar ist und nicht "mal eben" ausgebaut ist, wenn man sie z.B. im Winter drinnen laden möchte.
Der Schalthebel klemmte bei mir übrigens die ersten paar Tausend Kilometer bei jeder neuen Fahrt. Den Neutral-"Gang" einzulegen erfordert viel Feingefühl - es ist viel zu hakelig.
Performance
Ich hatte niemals eine Sportmaschine und bin auch eher aus der Gemütlich-Fraktion. Der Motor gibt sich aber betont spritzig und drehfreudig.
Gerade aus dem unteren Tourenbereich kommt sie schnell heraus. Bis 180 km/h geht es problemlos auf der Ebene, macht aber einfach keinen Spaß.
Auf der Autobahn Kilometer fressen, war mit der Teneré angenehmer.
Ergonomie
Mit 1,87m und 92kg bin ich nicht wirklich klein, aber eben auch kein Riese. Nach sechs Jahren auf einer Reise-Enduro wollte ich mal was Kompakteres fahren.
Glücklicherweise bin ich einigermaßen sportlich und beweglich und somit funktioniert das auch ganz prima.
Die Sitzposition ist für den Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, gerade bei dem erwähnten Umstieg - und ja: Es ist gerade anfangs erst einmal unbequem, bis man weiß wie man die Haxen anlegt. Dann gehts aber. Für Menschen mit mehr Hüftgold wird es wahrscheinlich eng und unbequem.
Man sitzt auf der Street Rod relativ aufrecht und natürlich. Der Lenker ist ausreichend breit - so kann man ermüdungsfrei auch längere Strecken zurücklegen. Wer hier Stummellenker anbaut, tut sich keinen Gefallen.
Der Sitz ist überraschend gemütlich dabei, nur für die Sozia war es unbequem, die auch verhältnismäßig hoch sitzt, der Soziussitz ist aber kaum gepolstert. Insgesamt eher kein Motorrad um damit in trauter Zweisamkeit zu cruisen.
Fahrverhalten
Da kann sie punkten. Die kleine Street Rod ist trotz ihres Gewichtes agil, wendig und kommt auf gemischten Touren auch mit den Sportlern prima mit.
Bei 40-45 Grad in der Kurve ist aber Schluss, da schleifen die Angstnippel über den Asphalt. Die Bremsen sind ordentlich, packen gut rein und bringen ein subjektives Sicherheitsgefühl. Aber wer bremst schon?
Sound
Mit dem Standard-Luftfilter und der langen Tüte hinten dran ist der Sound wirklich kein Ohrenschmaus. Im niedrigen Drehzahlbereich blubbert die Street Rod beim Gas geben und man weiß um ihre Abstammung.
Aber das Gefühl geht immer schnell vorbei. Das ist dann der Preis, den man für die Euro4 Zulassung zahlen muss. Gerade bei höheren Drehzahlen ist der Sound total uncharakteristisch.
Wenn der Motor warm ist, patscht sie gerne mal bei Gasrücknahme. Über so ein akustisches Feedback freut man sich ja.
Fazit
Es überrascht keinen, aber bei dem Preis muss man eben Abstriche in Punkto Verarbeitung, Optik und Ausstattung machen. Auch die Sitzhaltung ist nichts für Jedermann.
Insgesamt hinterlässt die Street Rod so einen Eindruck von: Nicht Fisch, nicht Fleisch - Sie weiß nicht, was sie will. Ist das jetzt eine neue Gattung von Motorrad oder nur eine günstige Basis für einen Totalumbau?
Ich weiß nicht, ob ich sie mir nochmal kaufen würde. Aber ich behalte sie auf jeden Fall, denn sie ist mir ans Herz gewachsen und wird mir hoffentlich noch viele tausend Kilometer Freude bereiten.
Bis Greta Thunberg uns scheidet.