@websucht
Also einen Softailrahmen mit technischen Vorteilen in Zusammenhang zu bringen zeugt von einem grundsätzlichen Unverständnis für die Zielgruppe. Der Softailrahmen sollte ab den 80ern die Zielgruppe der Chopperfahrer befriedigen, die bis dahin einen Big-Twin-Starrahmen mit dem so archetypischen wie nutzlosen Sattelstützrohr, sogenannte „Hardtails“ fuhren. Das Weglassen des Sattels mit Pogo-Stick war ja gerade die Ultraharte Ansage, mit der man sich von den spiessigen E-Glides mit stossgedämpftem Sattel und Trittbrettchen distanzieren wollte. Der Produktname „Softail“ soll also dieser Zielgruppe sagen: Wir bieten Euch hier einen Rahmen, der die exakt identische Harte Männer-Optik mit ausgebautem Pogo-Stick hat , aber trotzdem gut versteckt gefedert ist. Da die Anzahl der je gebauten Hardtails begrenzt ist, dass seinerzeit sogar exakte illegale Kopien aus Schweden reißenden Absatz fanden, war die EVO-Softail die legale und komfortable Alternative. Produktzweck war also die Original-Rahmen-Optik von 1936 und nicht irgendein Technische Werte Verbesserungsquark. Wer das nicht versteht, hat den Chopper gerade auch in seiner sozialen Außenseiter-Optik grundsätzlich nicht verstanden. Der sollte weder praktisch noch gut noch modern sein, sonder das genaue Gegenteil: Die ultimative Kritik am Konsumspiesser der immer das modernste will. Deswegen führen die US-Hippies auch Käfer statt V8 mit Klima und Automatik.
Dieser grundsätzliche Produktzweck wurde bei TC aus reinen Kostendrückergründen schon ziemlich verraten mit dem Blechfake als „Sattelstützrohr“
Den Kunden jetzt eine Pseudo -WL-Optik als Chopperrahmen andrehen zu wollen ist in etwa so frech wie einem Käferfreak einen „Beatle“ als technisch ja sooooo toll verbesserten Käfer andrehen zu wollen. Der Beatle ist nun mal ein Golf mit gefakter Käferoptik. Die M8 Softail ist nun mal ein Big Twin mit Cantileverrahmen und keine Softail und schon gar kein Chopper, zielt also auf Möchtegerns mit Sparzwang. Wer sich das als Chopper andrehen lässt, lässt sich auch einen Beatle als Käfer andrehen. Wer dann auch noch allen Ernstes mit „Technischen Verbesserungen“ als Argument kommt, sollte sich mal dringend darüber schlau machen, was die soziologischen Gründe dafür waren, einen Chopper zu bauen. Diese Beweggründe waren nämlich das krasse Gegenteil des Erzielens von technischen Verbesserungen.
Eine billig zu bauende, aber technisch wirksame Cantileverschwinge hat mit einem Softail- oder originalen Hardtailchopper so viel zu tun wie eine Yamaha XV535. Wer sich auf einer Yamaha XV535 oder einem M8-„Softail“ als „Chopperfahrer“ fühlt, dem sei das von Herzen gegönnt, aber er sollte sich nicht auch noch zum Affen machen mit der Aussage, er führe diesen „Chopper wegen „Technischer Verbesserungen“. Die bekommt er bei einer BMW GS für weniger Geld ganz sicher auf höherem Niveau.
Und genau das hat BMW nach dem gescheiterten ersten Versuch mit der R1200C , die ein „Chopper“ im Sinne der M8-„Softail“ war, ganz offensichtlich verstanden:
- Der Rahmen sieht aus wie der R5-Rahmen von 1936 analog zum EVO-Softailrahmen, der aussah wie der Knuckleheadrahmen 1936. „Technische Verbesserung“: in beiden Fällen gegenüber den direkten Vorgängermodellen Null, eher das Gegenteil
- das Glasperlenstrahlen des Druckgusses: täuschend ähnliche Optik wie die Sandgussgehäuse von 36. „Technische Verbesserung“ : Null
- Scheinwerferglasoptik wie in den 50ern. „Technische Verbesserung“ gegenüber den üblichen Klarglasausführungen wie bei Harley: Null
Einen Bobber- oder Chopperfahrer interessiert,
- technische Verbesserungen von Evo über TC zu M8: einen Scheiss
- extrem aufwendige Erzeugung der Originaloptik von Bobbern der 30er bis 60er bzw. Choppern der 60er und 70er : brennend - dafür gibt er gerne viel Geld aus.
Die heutigen Marketingfritzen von Harley sind wohl unfähig, ihre Chopper- und Bobber-Zielgruppe zu verstehen. Die WL-Optik des M8-Cantilever ist da wohl als Zufall einzustufen. Mit Kostendrückerei wird man keine Liebhaber von antik-aufwendiger Originaloptik erreichen. Wenn. Das garnicht mehr das Ziel von Harley ist, dann ist der Produktname „Softail“ für die M8 Rosstäuscherei. Der zielgruppengerechte produktehrliche Name müsste dann“Cantilever-M8“ sein. Solche Marketingverlogenheiten sieht der mögliche Kunde heute äußerst kritisch.
BMW hingegen will diesmal offensichtlich alles richtig machen und hat das, was der Zielgruppe wichtig ist, offensichtlich ganz genau verstanden. Umso erbärmlicher sieht die billig zusammengesparte M8-„Softail: dagegen aus: wie gewollt und nicht gekonnt. Eine ehrliche M8-Softail, die diesem Namensanspruch gerecht wird, müsste sich optisch auf dem Niveau der BMW oder zumindest der Evo-Softail mit ihrem aufwendigen weil optisch dem Hardtail sehr nahen Rahmen bewegen.
Das wirklich herzzerreißende für einen Harleyfahrer daran ist, zu wissen, das diese große alte Marke es doch einmal viel besser wusste und konnte und jetzt von der im Bobber- und Choppersegment eher unbeleckten BMW-Konkurrenz gezeigt bekommt, wie man es richtig macht. Der Rotstift ist eben ganz und gar der falsche Stift, um ein Bobber- bzw. Chopperdesign zu zeichnen. Es kommt auf die liebevollen = aufwendigen Details der früheren Zeiten, die bei aktueller Technik längst wegrationalisiert sind, in einem ebenso aufwendigen, weil eigenständigen Modell an. Das hat BMW aus dem Desaster mit der billig aus der R1200 abgeleiteten R1200 C gelernt.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)