Lange nix mehr geschrieben... ist auch kein Wunder – im Sommer findet ja scheinbar jedes Wochenende ein anderes Mega-Harley-Event statt. Wär ja toll, wenn man sich mal auf einen Standort einigen könnte und von März bis November rund um die Uhr Jack Daniels Stand und Caipi-Bude und wegen mir auch die Tinneffstände da dauerhaft stehen lässt. Aber neee... jedes Weekend eine andere Stadt – wär ja noch nicht so schlimm – schlimmer jedoch ist: jedes Weekend ein anderes Bundesland...
Um überall dabei sein zu können, muss man wohl den Job an den Nagel hängen, Frührente beantragen oder noch besser – bei irgendeiner Harley-Tinneff-Vertriebsfirma beschäftigt sein, um dann dort auf Firmenkosten Aufkleber, Fransenjacken oder orange schwarze Schlafanzüge, Schlabberlätzchen oder gar Reizwäsche zu verscherbeln.
Ich hab mal ne gekoppelte Variante aus Insolvenzbetrug und Frührente für meine 20 Mitarbeiter gewählt.
Irgendwann hat man auch keine Zeit mehr zum Schreiben... eigentlich ist man 24h und 7 Tage die Woche nur noch in Sache Harley-Treffen und Inspektion für die nächsten 15.000km beschäftigt.
Und weil das so ist, beschränke ich mich jetzt mal auf das Thema Harley-Treffen – und um hier nicht 2.000 Seiten zu schreiben, um alle Treffen zu beschreiben – nehme ich mal stellvertretend ein einziges Treffen raus – das kleinste: Rüdesheim
Irgendwann hat man ja eigentlich auch mal die Nase voll und ist auch mal froh, wenn man die Familie noch mal sieht und man sich bei der Erziehung vom kleinen Sohnemann auch mal mit eigenen Ideen verwirklichen kann.
Ich sitz da also mit dem kleinen Mann, der einen mit großen fragenden Augen ansieht (wer ist denn der komische Mann?) – da klingelt auch schon das Handy...
„Hey Bruchi, wo bist du?“
„zu Hause... den Kleinen bespassen“
„Mach kein Quatsch – los, komm nach Rüdesheim – wir stehen hier an der Caipi-Bude und alle fragen, wo bleibt der Bruchi... Hotelzimmer gibt´s auch noch“
„neee – ist ja schon spät – da komm ich ja erst mitten in der Nacht an“
„ausserdem hab ich ja kein Navi – da komm ich vielleicht gar nicht an“ versuchte ich mich noch irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
Derweil saß ich schon mit meinem Sohn auf dem Schoss vor dem Computer und suchte mal unter Google Maps die kürzeste Entfernung nach Rüdesheim. Der Kleine wollte lieber bei YouTube Feuerwehr oder Bagger gucken.
Der Kleine fing an zu nerven...
Am anderen Ende des Telefons war zu hören... kein Problem, wenn du irgendwo nicht weiter weist... wir holen dich da ab....
Also abgemacht – auf nach Rüdesheim.
Schnell die wichtigsten Wegpunke notiert – der Drucker verweigerte natürlich seinen Dienst, nachdem der Kleine Wirbelwind ca. 100 x auf die Print-Taste gehämmert hatte um seinen Videowunsch Feuerwehr zu untermauern...
Helm, Lederjacke und Schlüssel liegen ja wie bei der Feuerwehr bereit, dass man beim Rauslaufen aus dem Haus alles schnell packen kann (ganz wichtig beim Tatvorwurf Insolvenzbetrug) war ich ca. 5 Min später on the Road... Die Wegpunkte klebten Dank Postit auf dem Tank.
Das letzte, was ich auf meinem PC gesehen hatte, war: fahr die B9 immer dem Rhein entlang – dann kommste direkt an Rüdesheim vorbei. Dann war Dunkel und dann war blauer Bildschirm.
Dann war irgendwann Köln vorbei, Bonn hatte ich auch noch im Sinn – der Postit flatterte schön im Wind, aber erkennen konnte ich eigentlich nix mehr; denn...
langsam wurde es Dunkel... und kalt.... wie man das so macht, hatte ich nur ne Jeans und ein T-Shirt unter der Lederjacke an. Ich weiß nicht warum ich jetzt auf der falschen Rheinseite gelandet bin – ich schieb die Schuld mal auf meinen Harley-Kumpel-Telefonterroristen, der irgendwas von Bingen und Rheinfähre geschwafelt hat. Jedenfalls nahm das Verhängnis seinen Lauf. Eigentlich nahm das Verhängnis schon viel früher seinen Lauf. Ich sach nur eins: Glaub keinem Kumpel aus deinem Harley Club, wenn der mit den anderen an der Caipi-Bude steht und sagt: „wir holen dich überall ab“.
Falsche Rheinseite hatte ich ja schon – Wegpunkte auf Postit ist der nächste Punkt.
Also Google Maps war der Meinung, ich wäre auf der richtigen Seite – ist ja auch klar, wenn ich die kürzeste Strecke wähle sind es innen rum immer 500m weniger als außen rum.
Irgendwann war mal die B9 vorbei und ich landete auf der Autobahn. Ich sach nur eins... ne Jeans mit nem riesen Loch im Knie treibt die Körpertemperatur schnell in den Frostzustand.
Ein durchgeknallter Holländer mit Anhänger, der so locker 120km/h auf der Autobahn fuhr, war meine einzige Überlebenschance. 50cm Sicherheitsabstand und entsprechender Windschatten verhinderten ernsthafte Erfrierungszustände auf der Bahn.
Mein Postit sagte... 3. Ausfahrt raus. Dank dem fliegenden Holländer lag meine Kerntemperatur noch kurz vor fest. Wieder auf der Landstrasse angekommen stieg die gefühlte Temperatur von -10 °C auf Taupunkt.... bis ich an einer blöden Spasskasse mit Außenthermometer vorbeifuhr... da stand was von 4°C.
Die gefühlte Temperatur fiel wieder auf -10°C
Postit sagte: Wegpunkt: Richtung Beltheim
Wupp... da war ich ziemlich schnell – und von da an völlig falsch. Verkettung unglücklicher Umstände kann man vielleicht auch sagen... also, wenn man einem Kumpel den Scheinwerfer leiht, damit der sein günstigen England-Import durch den TÜV bekommt und der sagt: „ich bau dir den wieder korrekt ein“ ist dem genauso viel zu glauben, wie dem Satz „ wir holen dich überall ab“.
OK... ich war also unterwegs... Richtung nirgendwo... mein Scheinwerfer leuchtete exakt 1 m vor meinem Vorderrad wie ein Laserpointer jedes Schlagloch aus. Um mich rum nur Rapsfelder und keine einzige Lampe – kein Bauernhof – kein weiteres Hinweisschild – einfach nix. So nach ner halben Stunde war ich mir ziemlich sicher – gleich kipppst du von der Erdscheibe – ich bin falsch. Also wieder zurück... vielleicht hätte ich ja einen der unbeschilderten Abzweige nehmen sollen... Na gut – wer stellt schon am Arsch der Welt nen Hinweisschild auf nen Feldweg?
Ich fuhr jetzt nach Bauchgefühl... ich hatte ja keine andere Wahl - der Postit hatte sich auch schon aus der Affäre gezogen.
Diesmal ging es dann nicht mehr durch Rapsfelder sondern durch nen Wald aus Tannen. Hätte mich nicht gewundert, wenn ich dort den Weihnachtsmann begegnet wäre. Es war zwar mitten im Sommer – aber die Temperaturen hätten sicherlich den Rentieren gefallen.
Es war folglich sehr kalt... kälter als kalt... man sollte vielleicht auch mal auf die Ehefrau hören, wenn die meint: „zieh dir was warmes an“ und nicht den Held markieren. Ok... ich hab gedacht, 250km packe ich in 1 ½ Stunden.... aber mittlerweile war ich schon 400 km unterwegs und wusste nicht mehr wo ich war...
War mir dann irgendwann egal... es kommt der Punkt, wo man vor lauter Zittern keine Kurve mehr vernünftig fahren kann – natürlich ganz schlecht, wenn der vom Kumpel wieder korrekt eingebaute Scheinwerfer die nächste Kurve gar nicht erkennen lässt, sondern man höcshtens 1 Sekunde vor dem Einschlag in die Leitplanke noch Zeit für dringendst notwenige Kurskorrekturen hat.
Scheiß Harley-Treffen.
Fortsetzung folgt...