zum zitierten Beitrag
Zitat von derherrliche
Was soll denn dem Öl passieren? Wird doch nicht mal von den bösen Getrieberädern zerschnitten weil bei HD ja getrennt, im Gegensatz zu den gängigen Motorradbaukonzepten. Alle 8.000 wechseln würd ich nicht...
Doch, beim M8 gibt es wieder böse Getriebezahnräder, nämlich die zum Antrieb der Ausgleichswelle von der Kurbelwelle:
- 1 Radsatz für eine Ausgleichswelle bei den gummigelagerten Motoren in den Tourern
- 2 Radsätze für 2 Ausgleichswellen bei den starr verschraubten Motoren in den Softails
Diese mechanische Alterung macht das Öl erstmal dünnflüssiger und vor allem: es macht aus SAE20W50 nach 8000km ein Öl mit geringerer ViskositätsSPANNE, daran ändert auch die Oxydation im nächsten Abschnitt nix
, weil die langkettigen Moleküle, die sich bei niedrigen Temperaturen ballen = dünnflüssiges Öl erzeugen, zerhackt werden und damit bei hohen Temperaturen nicht mehr lang ausgerollt werden können = kein dickflüssiges Öl mehr erzeugen können . Gerade aber auf zu dünnflüssiges Öl bei hohen Temperaturen reagiert der riesige luftgekühlte Big Twin empfindlich, nicht umsonst erlaubt Harley bei Betrieb nicht unter 24Grad Umgebungstemperaturen immer noch SAE60. Das belegt, dass hohe Umgebungstemperaturen der Schwachpunkt oder weniger wertend (für die gekränkte Besitzerseele
) die empfindliche Stelle dieser Konstruktion ist, weil eben luftgekühlte Motoren besonders hohe Öltemperaturen haben. Am höchsten werden sie logischerweise bei besonders großen Zylindern, wie sie der Harley-BigTwin hat, weil hier besonders viel Benzin gleichzeitig verbrannt wird
Dieser Tendenz teilweise entgegen wirkt die chemische Alterung: Öl oxydiert bei Sauerstoffkontakt immer = wird dickflüssiger.
Grundsätzlich gilt dabei: bei höheren Temperaturen läuft eine chemische Reaktion schneller ab. Das Öl wird also auch beim Harleymotor durch hohe Motortemperaturen „stark = schnell“ oxydiert = schneller dickflüssiger. Bei Eurem Betriebsprofil ist es bei 8000 km schon ein SAE 40W60. Wenn Ihr hauptsächlich bei hohen Umgebungstemperaturen fahrt (Harley sagt, nicht unter 24 Grad C) könnte das sogar noch akzeptabel sein. Bei niedrigeren Umgebungstemperaturen wäre es bei kaltem Motor zu dickflüssig = führt zu Schmiermangel während dem Warmfahren.
Anders sieht das bei der Zeitbeschränkung auf 1 Jahr für Wenigfahrer aus. Die halte auch ich für reine Beutelschneiderei. Ab und zu nur eine Kaffeefahrt bei gemütlichem Tempo, wenn es nicht zu heiß ist, heisst: Geringe Öltemperatur (Umgebungstemperaturen) im allergrößten Teil des Jahres = langsame, geringe Oxidation. Und dass das Stehen von Öl bei Umgebungstemperaturen schon nach einem Jahr zu unzulässig starker Verdickung führt, muss schon deswegen ein Ammenmärchen sein, weil sonst auf den Ölgebinden ja ein Mindesthaltbarkeitsdatum wie bei Lebensmitteln aufgedruckt sein müsste, nach dem der Ölverkäufer das ungeöffnete Gebinde nicht mehr verkaufen dürfte und entsorgen müsste. Ist aber nicht so: also clevere Marketingstrategie.
Bei Vielfahrern kann es noch Winterbetrieb geben: Weil hier der Wasserdampf als Reaktionsprodukt der Verbrennung zu Wasser auskondensiert wie die nachstehenden Verbrennungspartikel über den Brennraum im Öl landet, schreibt Harley völlig richtig hier sogar Ölwechselintervalle von 2500 km vor. Klassische Harley Motoren bis TC - Softail/ Sporty haben einen Öltank unterm Sitz. Der kann im Winterbetrieb so kalt werden, dass Harley hier in den Manuals vor Vereisung des Wasserkondensats im Öl an der kältesten Stelle, nämlich im Anschlussstutzen des Ölschlauchs zur Druckpumpe warnt und „Ölspülung“ = mehrere Ölwechsel hintereinander
vorschreibt, um den Öl-Eis-Schlamm aus dem System zu kriegen. Zu Klartext dekodiert heißt diese juristisch verklausulierte Aussage, dass das Konzept „Harley mit Öltank unterm Sitz“ nicht wirklich für Winterbetrieb gedacht ist.
Aaaaaber: Da gibt es noch den Ölfilter, der die Aschepartikel der Verbrennung einsammelt, die sich an Kolbenringen und Ventilschäften vorbei in den Ölkreislauf mogeln. Und der ist (bei HD) eben so dimensioniert, dass er bei 8000 km zu ist. Der Wert ist deswegen so exakt, weil man das recht einfach messen kann. Für das Öl selber bräuchte man so einen komplizierten Sensor wie in modernen Autos. Dass gerade der M8 beim Zugehen des Ölfilters besonders sensibel ist, belegt die kürzliche Vergrößerung des Ölfilters um 25% . Da hat der bisherige TC-Filter beim M8 wohl nicht mal für 8000 km gereicht. Und jetzt bei 8000 km nur den Ölfilter wechseln und das Öl drinlassen, wenn man schonmal an dem System ist, halte ich persönlich für wenig sinnvoll.
Fazit:
1. Ich behaupte, dass die Führungsgrösse zur Festlegung der Ölwechselvorschrift von 8000 km das Zugehen des Ölfilters ist. Das ist ziemlich eindeutig ausschließlich der km-Leistung zuzuordnen. Also die 8000 km überziehen ist ein NoGo.
2. Das Betriebsprofil hat viel zu viele unterschiedliche Einflussgrössen (Fahrweise, überwiegend Langstrecke vs. überwiegend Kurzstrecke, km/Jahr, Umgebungstemperaturen, staubige vs.nasse Luft usw usw), um hier irgendeinen km - Wert festlegen zu können. Die Ölwechselvorschrift nach einem Jahr, auch wenn 8000 km nicht erreicht wurden, ist also marketingtechnisch
der Öloxydation geschuldet und in der Realität nicht wirklich relevant.
3. Die Tendenzen habe ich oben dargestellt: Das Öl verdickt schneller bei höherer Öltemperatur, erzeugt durch jeden dieser drei Faktoren unabhängig voneinander
- Hohe km-Leistung in kurzer Zeit (= häufiger Betrieb mit hohen Öltemperaturen)
- hohe Umgebungstemperaturen (= führt zu hohen Öltemperaturen)
- scharfe Fahrweise (= führt zu hohen Öltemperaturen)
Harley schreibt nicht umsonst in die Manuals, dass Ihr bei allen drei Faktoren zusammen das Öl sogar deutlich öfters als erst bei 8000km wechseln solltet
. Das steht in allen Handbüchern von luftgekühlten Motoren, nicht ohne Grund!