Das mittlerweile gut bekannte Geschäftsmodell ist folgendes:
US-Harleys (Fahrgestellnummer beginnt mit 1HD… Exportharleys dagegen mit 5HD) mit US- Vollkaskoversicherung werden grundsätzlich nicht repariert, sondern kommen in den Schrottcontainer, und es wird sichergestellt, dass diese Fahrgestellnummer niemals mehr in den USA zugelassen werden kann. Den Begriff „wirtschaftlicher Totalschaden“, unterhalb dem die Versicherung verlangt, dass repariert wird, gibt es in USA nicht. Damit steht der Händler vor einem Haufen Schrott in seinem Hinterhof. Das weckt Begehrlichkeiten, da mehr Geld als den Kilopreis draus zu machen.
Schon immer war üblich, diesen Schrott an Freie Schrauber in USA zu verkaufen, deren Geschäftsmodell es ist, da die brauchbaren Ersatzteile rauszuoperieren und billiger als die überteuerten Harley-Originalersatzteile entweder direkt in malade Kundenbikes einzubauen oder zu vermarkten.
Seit spätestens in den 2010er Jahren fahren Osteuropäische Freie Schrauber auf USA - Einkaufstour und kaufen solche Schrottcontainer auf. Zuhause in Osteuropa bauen sie daraus, mal professioneller, mal dilettantischer, aber immer die Marge beim Wiederverkauf fest im Blick, wieder optisch auf den ersten Blick ansehnliche Bikes auf (manche haben ja nur wenige km runter). Der zweite Teil des Geschäftsmodells ist also die möglichst billige Instandsetzung mit osteuropäischen Billiglöhnen auf einen optisch guten, aber technisch zweifelhaften Stand. Wenn er nicht zweifelhaft wäre, würde sich das Geschäftsmodell nicht rechnen.
Wichtig ist: Es sind generell Bikes mit so gravierenden Schäden, dass in den USA die Vollkaskoversicherung bemüht wurde. Harmlose Kratzer, abgefahrene Spiegel oder Fussrasten (Ölleckagen oder Elektrodefekte fallen eh nicht unter Vollkaskoversicherung) können es nicht gewesen sein !!! Dann wäre das Bike nicht im Schrottcontainer gelandet, denn gerade schuldenüberlastete US-Biker werden einen ziemlich hohen Selbstbehalt zur kräftigen Drückung der Versicherungsprämie vereinbart haben.
Es spricht für sich, dass sich hier bisher keinerlei vertrauenswürdige osteuropäische Firmennamen auf dem westeuropäischen Markt etabliert haben. Gefährlich wird es spätestens dann, wenn der übliche Frontalschaden am Ausgangsbike war, denn da müsste der Rahmen vermessen werden, was schon vor Jahren mindestens 1000€ gekostet hat und damit für diesen Business Case völlig unrealistisch ist. Ökonomisch Katastrophal ist auch der recht häufige Aufprall im Heck, weil an ausnahmslos allen gummigelagerten Motor-Getriebe-Blöcken nach dem 1979 abgekupferten Norton-Prinzip die Schwingen im Getriebe gelagert sind. Da das Getriebegehäuse aus Guss und damit ziemlich starr ist, sind Brüche durch die heftige Einleitung einer Kraftspitze über die Schwingenlagerung unvermeidlich. Das ist bei eingebautem Getriebe nur sehr schwer sichtbar. Der Harley-Neuling, mit Stammtisch- Geschichten über die schlechten Harley-Fahrwerke im Ohr, glaubt dann auch noch, das unweigerlich abenteuerliche Fahrverhalten wäre „normal“.
„Glück“ hat der Käufer, wenn das Bike auf der Seite liegend über die Straße geschliddert ist und - ohne irgendwo einzuschlagen - einfach irgendwann vermittels der Reibung des Teers zum Stillstand gekommen ist. Aber genau das verraten einem die Verkäufer eben nicht. Oft kaufen westeuropäische Freie Händler oder Schrauberbuden solche Bikes im Dutzend billiger von den Osteuropäischen Schraubern auf und keinen die Historie = den ursprünglichen in den Schrottcontainer führenden Schaden, garnicht. Der offizielle Freundliche bietet mittlerweile an, per Eingabe der in USA - wie oben beschrieben nicht mehr zulassungsfähigen - Fahrgestellnummer in entsprechende Systeme von Versicherungen oder Zulassungstellen (auf die auch Systeme wie Carfax zugreifen), den dort zur Verhinderung der Wiederinbetriebnahme verzeichneten - den Versicherungen zwecks Schadensausgleich gemeldeten - Schaden zu recherchieren.
Heisst also: immer vorher die Fahrgestellnummer verlangen und checken (lassen)! Trotzdem sollte einem Folgendes bewusst sein:
Der Kapitalismus schließt einfach prinzipiell aus, dass einem etwas geschenkt wird. Was deutlich billiger als marktüblich ist, ist meistens noch deutlich weniger wert als der geforderte Preis, sprich, es hat einen innerhalb des Preisrahmens inclusive Margen nicht behebbaren, also gravierenden Mangel. Ein Verkäufer-Markt treibt Preise hoch, ein Käufer-Markt drückt Preise runter. Die derzeitigen, bestimmt noch Jahre anhaltenden Krisenzeiten weisen für Konsumgüter alle in Richtung Käufermarkt, spätestens nach diesem Winter. Warte ein Weilchen und Kauf Dir ein anständiges Bike mit deutscher Erstzulassung, was in Dein Budget passt. Der Kapitalismus lebt auch davon, das jeden Tag ein Dummer aufsteht. Und wer meint, bei so einem Geschäftsmodell könne er ein Schnäppchen machen, ist für mich ein Dummer. Sorry für die deutliche Ausdrucksweise
Dieser Beitrag wurde schon 2 mal editiert, zum letzten mal von motorcycle boy am 06.10.2022 23:43.